Boom der Oberschulen:Gerechte Chancen für gute Bildung

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Zum Kommentar "Boom der Oberschulen - Hauptsache, hochschulreif" vom 15. Januar:

Nach fast 40 Jahren als Lehrer, davon vier Jahre an einer Berufsoberschule (BOS), kann ich Ihnen versichern, dass es nie nur um die Hochschulreife um jeden Preis geht, sondern um die maximale Förderung und Nutzung des einzigen Rohstoffs, den wir haben, nämlich das geistige (Reserve-)Potential in den Köpfen unserer jungen Menschen - ob in einer Berufsausbildung, einer Meisterschule, Fachoberschule, Berufsoberschule oder in einem Gymnasium, das ist zunächst sekundär.

Da manche Kinder durch ihre soziale oder familiäre Benachteiligung oder auch als "Spätzünder" erst etwas später reif für eine entsprechende Schule sind, hat unser Staat zum Beispiel mit dem Zweiten Bildungsweg die Möglichkeiten für gerechtere Bildungschancen geschaffen.

Der Wunschtraum von Ausbildungsbetrieben, ihre leistungsstärksten Azubis später als Spitzen-Fachkräfte weiter beschäftigen zu können, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr schnell in Luft auflösen, wenn diese dann die Meisterschule besuchen und einen Konkurrenzbetrieb eröffnen.

Es geht nämlich nicht um die angeblich "abwegige Vorstellung", dass ohne Hochschulreife keine erfolgreichen Biografien möglich sind und schon gleich gar nicht um eine dubiose "Balance im System", sondern darum, dass möglichst alle die Chance erhalten, die ihren Fähigkeiten entspre-chenden Qualifikationen für den Start in ihr Leben zu erreichen.

Es darf nie mehr vorkommen, dass Schülerinnen und Schüler, nicht weil sie zu faul oder zu dumm sind, sondern wegen fehlender Schulen oder zu wenig Schulräumen blockiert beziehungsweise regelrecht vernichtet werden, so wie das zu meiner Zeit an der Oberrealschule Dachau geschah, als 1960 von uns 132 Schulanfängern nach neun Jahren, also 1969, nur noch 23 in einem Kartenzimmer zusammengepfercht übrig waren.

Georg Ruland, Dachau

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© SZ vom 28.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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