Bombenalarm in der S-Bahn:"Nonsens" statt Politik im Sinn

Lesezeit: 2 min

Zum vierten Mal legt eine Attrappe den Bahnverkehr lahm. Doch die Ermittler glauben nicht an eine Tat von Extremisten.

Bernd Kastner

Die vier Bombenattrappen, die in den vergangenen beiden Wochen den Zugverkehr in Bayern teilweise lahm legten, sind laut Polizei nicht von politisch motivierten Tätern gelegt worden.

Die vermeintlichen Bomben wurden in einer S-Bahn und einem S-Bahnhof in München sowie in Intercitys bei Aschaffenburg und im schwäbischen Otting-Weilheim entdeckt. Der oder die Urheber seien wohl auf die Störung des öffentlichen Lebens aus.

Keine der Vorrichtungen hätte explodieren können, erklärte Markus Neueder, Leiter der am Polizeipräsidium München eingerichteten achtköpfigen Ermittlungsgruppe "Alpenland".

Benannt ist die Gruppe nach dem Intercity 328, in dem an zwei Tagen je eine "Bombe" gefunden wurde. Am 26. August wurde der S-Bahnhof Moosach durch den Fund einer vermeintlichen Sprengladung lahmgelegt, zuletzt traf es am Mittwochnachmittag Reisende in Pasing, wo in einer S-Bahn eine Tasche mit einer Attrappe auffiel.

In allen Fällen wurden der Bahnverkehr gestoppt, die Fundorte weiträumig abgesperrt oder die Züge evakuiert, es kam zu erheblichen Verzögerungen. Zwischen allen Fällen gebe es starke Parallelen, nicht nur, dass jeweils die Bahn Ziel der Täter war, so Neueder: zweimal beinahe identische Konstruktionen, deponiert in billigen Nylontaschen.

Im IC bei Aschaffenburg und in Moosach wurden zudem Blätter mit arabischen und hebräischen Texten gefunden, weshalb die Ermittlungen im Kommissariat für ausländischen Extremismus laufen.

Mittlerweile sei man jedoch sicher, so Neueder, dass es sich beim Inhalt um "Nonsens" handle. Es gebe offenbar keinen politischen Hintergrund. Auf der Suche nach den Tätern tappen die Fahnder noch im Dunkeln: Ist es eine Person oder eine Gruppe?

Hängen alle vier Fälle zusammen? Oder handelt es sich um Nachahmungstäter?

Man gehe aufgrund der technischen Bastelei lediglich davon aus, dass der oder die Täter männlich sind und eine Affinität zur Bahn haben.

"Die Person will auffallen", sagte Neueder. "Sie will nicht professionell den großen Anschlag vorbereiten oder dafür trainieren." Offenbar ergötze sie sich am Chaos.

"Für manchen ist das vielleicht ein Spaß", so Polizeisprecher Wolfgang Wenger, "für uns ist das alles andere als ein Spaß." Die Attrappe könnte aber auch ein psychisch kranker Mensch gebastelt haben.

"Das Schlimmste: Hysterie"

Noch sucht die Polizei nach Zeugen, nicht einmal die Entdecker der Attrappen sind bisher bekannt. Die technischen Untersuchungen beim Landeskriminalamt dauern an.

Nicht ausschließen will die Polizei, dass bald wieder eine Bombenattrappe auftaucht. Dies könnte auch beim Papstbesuch in vollen Pilgerzügen passieren.

"Wir beziehen das in unsere Überlegungen mit ein", so Neueder. Die Polizeipräsenz werde aber nicht erhöht. Wenn jemand eine verdächtige Tasche entdecke, sei es am Wichtigsten, nicht in Panik zu verfallen.

Das Bahnpersonal solle informiert, dann Zug oder Bahnhof ruhig verlassen werden. Wenger: "Das Schlimmste ist Hysterie."

© SZ vom 8.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: