Bombe unschädlich gemacht:Nach 18 Minuten ist "alles gut"

Lesezeit: 2 min

Gefahr gebannt: Sprengmeister Martin Tietjen (links) mit seinem Hund Lotte und seinem Kollegen nach der Entschärfung der Bombe (Mitte). (Foto: Florian Peljak)

Martin Tietjen entschärft die Fliegerbombe im Fasangarten rasch - doch der Aufwand ist enorm

Von Susi wimmer, München

Der Sperrgürtel rund um die Bombe steht, die Polizei hat das Areal im Radius von 500 Metern abgeriegelt. Hier kommt niemand mehr durch. Ein Eichhörnchen huscht gerade noch über den General-Kalb-Weg, vermutlich hat es den Ernst der Lage nicht erkannt: Auf einer Baustelle nahe der S-Bahnstation Fasangarten entschärft Martin Tietjen am Donnerstagnachmittag eine 250-Kilo-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Nach nur 18 Minuten hat der 40-Jährige den Aufschlagzünder unschädlich gemacht. Die Gefahr ist gebannt, Eichhörnchen und Menschen können wieder zurück.

Zwei Tage zog sich die Entschärfung der Bombe im Fasangarten hin. Bauarbeiter hatten sie am Mittwochvormittag entdeckt, dann lief die Maschinerie von Polizei und Rettungskräften an. Rund um den Fundort zwischen Lincoln- und Cincinnatistraße fuhren Lautsprecherwagen, gleichzeitig klapperten Polizisten alle Wohnhäuser und Einrichtungen ab. Direkt neben der Baustelle befinden sich etliche Schulen, die Mittelschule etwa oder die Städtische Berufsschule für Versicherungs- und Personalwesen. Im Tagesheim an der Grundschule versuchten die Erzieherinnen alle Eltern zu erreichen, damit die Kinder frühzeitig abgeholt werden. Doch irgendwann verkündete die Einsatzleitung der Feuerwehr, dass man die Entschärfung wegen der früh einbrechenden Dunkelheit auf Donnerstag verschieben werde.

"Ich hab' mir die Bombe und den Zünder gestern angeschaut, passt alles." Kurz vor der Entschärfung ist Martin Tietjen tiefenentspannt. Er führt seinen Jack-Russel-Terrier Lotte noch kurz Gassi. Nicht ein bisschen nervös? Nein, sagt er, die Technik ist bekannt. Am Mittwoch hat er die Bombe freigelegt, begutachtet und wieder mit Erde zugeschüttet. Über Nacht wurde sie bewacht. Vor dem Entschärfen gräbt Tietjen das Fünf-Zentner-Stück wieder aus. "Passieren kann da nichts", sagt er, "ohne Aktion keine Reaktion."

Helmut Gabriel sitzt jenseits der Bahnlinie im Wirtshaus Münchner Tram. Der 75-Jährige ist einer von 2000 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten. "Mich haben sie mit dem Sanka hergebracht, ich bin gehbehindert", erzählt er. Bei Gabriels Sitznachbarn Simon Riedelsheimer kommen lang vergessene Ereignisse hoch: "Ich hab 1944 die Bomben gesehen, die hier abgeworfen wurden", erzählt der 81-Jährige. Er hatte Angst, in den Bunker zu gehen, und blieb immer draußen. "Die Amis wollten die Bahnlinie erwischen, die Autobahn und die vier Abwehrkanonen, die damals hier standen. Die haben eine Bombenteppich gelegt." Als Achtjähriger ist er hier in der Siedlung mit seinem Radl durch die Bombenkrater gefahren. "Ich möchte nicht wissen, wie viele noch hier liegen."

30 Rettungs-, 40 Feuerwehrkräfte und 200 Polizisten sind im Einsatz, an der Lincolnstraße haben sie eine Zentrale errichtet. Die sogenannte Amisiedlung ist nicht so dicht bebaut, die Häuserriegel werden von der Polizei durchgeklingelt. "Ich konnte grade noch das Bügeleisen ausstecken und hatte fünf Minuten Zeit, um die Wohnung zu verlassen", erzählt Tina W. Nun sitzt sie mit ihren Söhnen Max, 13, und Leo, elf, in der Mehrzweckhalle an der Lauensteinstraße, wo etwa zwei Dutzend Anwohner betreut werden. Schon ab Mittag wird die S-Bahnstation Fasangarten nicht mehr angefahren, zur Entschärfung wird der Zugverkehr komplett eingestellt, auch auf der Balanstraße fahren keine Busse mehr.

"Alles gut", ruft Tietjen gegen 16.20 Uhr ins Telefon. Er befindet sich mit Lotte und der Bombe in seinem Transporter auf dem Heimweg. Das Relikt werde jetzt erst mal eingelagert, "und dann im neuen Jahr zerstückelt".

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: