Bleibende Themen:Alle Tage wieder

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S-7-Verlängerung? Max-Villa? Nordspange? Manche Themen begleiten die Lokalausgabe seit Jahrzehnten - und bleiben trotzdem spannend.

Von Wolfgang Schäl

Die Zeit ist ein wundersames Phänomen, nur in der Abfolge von wahrnehmbaren Ereignissen wird sie für uns vorstellbar. Weil in einigen Gemeinden nur wenig passiert, fließt sie dort entsprechend vage und träge dahin, hier und da bleibt sie gefühlt ganz stehen. Zum Beispiel im Münsinger Ortsteil Ammerland. Hier darf schon die nächste Generation von Landkreis-Redakteuren exemplarisch verfolgen, wie ein denkmalgeschütztes Gebäude, die Max-Villa, Opfer von Immobilienspekulation wird. Interessiert zugeschaut hat bislang auch die für den Denkmalschutz zuständige Kreisbehörde, zu Taten hat sie sich in drei Jahrzehnten nicht hinreißen lassen. An dem 140 Jahre alten Haus nagt der sprichwörtliche Zahn der Zeit langsam aber zuverlässig im Interesse der Eigentümerin, die am Ufer des Starnberger Sees einen Neubau erzwingen will. Zu diesem Zweck verwandelt sie das einst reizvolle Kleinod auf dem Wege der konsequent unterlassenen Sanierung in eine Ruine. In nicht mehr ferner Zukunft wird die Villa zwar immer noch ein Zeugnis der Vergangenheit sein, aber nicht mehr an den exzentrischen Maler und Naturforscher Gabriel von Max erinnern, sondern ein Mahnmal sein für das Versagen von Denkmalschutz und für den Sittenverfall in der Immobilienbranche.

Allein über die S-Bahn sind seit 1995 rund 900 Berichte erschienen

Ein ähnliches Schicksal könnte einem anderen, baugeschichtlich wertvollen, aber erst nach behördlichen Verwirrungen denkmalgeschützten Gebäude beschieden sein: dem dahinsiechenden Alten Krankenhaus in Wolfratshausen. Die Stadt, der es gehört, würde sich nur allzu gern von dem längst maroden, 1823/24 errichteten Biedermeiergebäude verabschieden, zumal auf dem Grundstück an der Sauerlacher Straße hohes Baurecht ruht. Auch hier wird die Zeit nicht Wunden heilen, sondern tiefere aufreißen, sofern sich nicht wieder, wie im Fall des Alten Vermessungsamtes im Herzen der Stadt, ein denkmalbewusster Investor erbarmt. Ansätze, das Krankenhaus mit öffentlichen Mitteln zu restaurieren, sind nicht erkennbar, und so wird das Gebäude, nach dem Modell Ammerland, wohl eine lokalpolitische Endlosschleife bleiben. In Wolfratshausen freilich nicht die einzige. Seit 40 Jahren diskutiert der Stadtrat über die Gestaltung des Loisachufers, ohne dass man dort jemals einen Bagger erblickt hätte, mehr als 50 Jahre wird über eine Umgehungsstraße geredet, die es nie geben wird, und über der seit grauer Vorzeit ventilierte Frage nach einem zusätzlichen Parkplatz wächst nach regelmäßig aufflammenden Debatten immer wieder Gras.

Was die Zahl der veröffentlichten Artikel betrifft, zählt die S-7-Verlängerung zu den absoluten Quotenrennern: Mehr als 900 Treffer weist das SZ-Archiv zu diesem Stichpunkt seit 1995 aus. In jenem Jahr erkundigte sich der damalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag und jetzige Wolfratshauser CSU-Stadtrat Manfred Fleischer bei Wirtschaftsminister Otto Wiesheu, ob es denn einen Zeitplan gebe für die Verhandlungen mit der Bahn AG. "Es bewegt sich was", frohlockte Fleischer auf Wiesheus Auskunft hin, "aber wir müssen planerisch vom Dampfzug-Tempo auf ICE-Geschwindigkeit umsteigen." Aber so schnell fährt auch der ICE nicht - wenn der Trassenbau wie vorgesehen in zwei bis drei Jahren beginnt, können die Beteiligten zum ersten Spatenstich auch gleich 25-jähriges Planungsjubiläum feiern.

Ebenso steinhartes Dauergebäck hat die Stadt Geretsried vorrätig: die seit Jahrzehnten währende Debatte um ein urbanes Zentrum. Allerlei Pläne hat es gegeben, eine gläserne "Galeria" sollte in den 90er-Jahren am Karl-Lederer-Platz modernes Flair versprühen, sie erschien den Anwohnern dann aber als Fremdkörper. Und der Stadt war die Preziose zu teuer. Abgesehen von wenigen kosmetischen Maßnahmen ist das Herz der Stadt deshalb über die Jahre ein geräumiger Parkplatz geblieben. Nun deutet alles darauf hin, dass der Stein der Weisen gefunden ist, in Form eines riesigen Wohn- und Geschäftshochhauses, ein Vorhaben, das aber auch schon wieder heftig bekämpft wird. Weil die Gegner vor alle zuständigen Gerichte ziehen wollen, wird sich auch am Karl-Lederer-Platz kurzfristig wohl wenig ändern. Denn so schnell mahlen die Mühlen der Verwaltungsgerichte in aller Regel nicht.

Das gilt auch für die Strafjustiz. Mehr als drei Jahrzehnte hat die Bundesanwaltschaft ebenso detailversessen wie erfolgreich recherchiert, um die Drahtzieher eines Mordkomplotts zur Strecke zu bringen, das im Juli 1983 die Stadt Wolfratshausen erschütterte. Damals wurde in einer Garage an der Sauerlacher Straße ein Exilkroate, Stjepan Djurekovic, brutal hingerichtet. Die Spuren des blutigen Attentats führten zu zwei Offizieren des ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstes. Ein Helfer aus Geretsried hatte den Mördern den Schlüssel der Garage zugespielt, in der der Oppositionelle Djurekovic regimekritische Artikel druckte. Er wurde 2008 wegen Beihilfe zum Mord zu Lebenslänglich verurteilt. Das gleiche Urteil verhängte das Bayerische Oberlandesgericht im August 2016, 33 Jahre nach der Tat, über die Hauptangeklagten. Sie waren bereits 74 beziehungsweise 71 Jahre alt. Die Auslieferung der Angeklagten war erst auf massiven Druck der EU möglich geworden.

Der lokalpolitische Evergreen der Kreisstadt Bad Tölz ist die bis heute anhaltende Debatte um die Nordspange. Ins Gespräch gekommen ist das Verkehrsprojekt vor rund 20 Jahren mit der Erschließung des Flintkasernen-Areals. Seither ist die Diskussion um das Vorhaben, das voraussichtlich um die 23,5 Millionen Euro kosten wird, streckenweise sehr heftig geführt worden, an Einwänden von Anliegern hat es nicht gefehlt. Im Jahr 1989 noch hatte Stadtbaumeister Hannes Strunz geschätzt, dass mit dem Bau der Trasse kaum vor 2005 zu rechnen sei. Nunmehr wird das Jahr 2019 anvisiert, und selbst diesen Zeitpunkt schätzt das Weilheimer Straßenbauamt als "sehr sportlich" ein. Derzeit müssen Einwände aus den betroffenen Gemeinden abgearbeitet und danach gegebenenfalls Verwaltungsgerichtsprozesse durchgefochten werden.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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