Bilanz:Gesellschaftliches Problem

Before berät 270 Opfer von Rassismus und rechter Gewalt

Von Christina Hertel

Dennis möchte mit seinen Freunden feiern, nur ein Bier trinken. Sie gehen in eine beliebte Münchner Bar, doch als sie sich dem Tresen nähern, sagt die Bedienung: "Wir nehmen keine Afrikaner." Dann bringt sie Dennis und seine Freunde zur Tür. Er ist ratlos. Leon wird auf der Tanzfläche eines Lokals in Berg am Laim von fünf Männern umringt. Sie nennen ihn "Scheiß Neger". Dann schlägt einer Leon ins Gesicht. Die Polizei ordnet die Tat später als "nicht rechtsmotiviert" ein.

Die Fälle sind unterschiedlich, doch beide Männer, die eigentlich anders heißen, haben sich bei Before beraten lassen. Seit mittlerweile zwei Jahren kümmert sich der Verein um Opfer von Diskriminierung, Rassismus und rechter Gewalt. Etwa 270 Betroffene haben in dieser Zeit die Hilfe der Beratungsstelle in Anspruch genommen. Darunter sind Menschen, die auch fast 40 Jahre nach dem Oktoberfestattentat unter den Folgen leiden. Familien, deren Angehörige von der rechten Terrorgruppe NSU ermordet wurden. Und Opfer des Anschlags am Olympia-Einkaufszentrums.

In allen drei Fällen, sagt Altbürgermeister Christian Ude (SPD), der Vorsitzende des Vereins, hätten die Behörden die Taten falsch beurteilt. Sie hätten nicht sehen wollen, dass es sich um rechtsextreme Verbrechen handelte. Für ihn ein Zeichen, dass München Beratungsstellen wie Before brauche. Offensichtlich ist es immer noch so, dass die Polizei Taten anders bewertet als die Opfer: Von 48 Fällen, die von Before beraten und zur Anzeige gebracht wurden, ordnete die Polizei 22 als nicht politisch motiviert ein - obwohl sich die Opfer sicher sind, alleine wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihrer politischen Einstellung angegriffen worden zu sein.

"Wir wollen zeigen, dass es ein gesellschaftliches strukturelles Problem gibt", sagt Siegfried Benker, Geschäftsführer der Beratungsstelle. Diskriminierung sei vielschichtig, die Täter oft keine Fremden. In den meisten Fällen wenden sich Menschen an den Verein, weil sie sich an ihrem Arbeitsplatz herabgewürdigt fühlen. Bei körperlichen Angriffen sieht es anders aus. Diese passieren laut Before häufig im öffentlichen Raum, im Wohnumfeld oder beim Einkaufen - auch in München.

Auf Hilfe könnten die Betroffenen nicht immer hoffen. Benker beobachtet: "Es wird mehr weggeschaut. Wenn jemand aufgrund seiner Hautfarbe angegriffen wird, springt ihm nicht zwangsläufig jemand bei."

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