Bilanz des Kommunalreferats:Wir kaufen alles

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Bei den Immobiliengeschäften der Stadt geht es um Milliarden, und die Devise dabei lautet: Einsteigen, wo es der Markt hergibt. Die Zeiten, in denen das Rathaus seinen Grund versilberte, sind vorbei

Von Dominik Hutter

Kaufen, kaufen, kaufen - so lautet das Motto der Stadt auf dem Grundstücksmarkt. Und geht es nach Kommunalreferent Axel Markwardt, werden diese Bemühungen nun noch intensiviert. "Wir nehmen alles, was nicht bis drei auf dem Baum ist", scherzt Markwardt, marktübliche Preise und ein Nutzen für die Stadt vorausgesetzt. Im Februar soll der Stadtrat entscheiden, ob das im Kommunalreferat angesiedelte Akquise-Team seine Bemühungen verstärkt. Aus Sicht des SPD-Manns Markwardt geht es um nicht weniger als den sozialen Frieden in der boomenden Stadt. Der könne ohne die Bereitstellung von Grundstücken auf Dauer nicht gesichert werden.

Stimmt der Stadtrat den Plänen zu, soll noch mehr als bisher schon gekauft werden, was auf den Markt kommt. Wie wichtig das ist, will Markwardt mit Beispielen aus der Vergangenheit belegen: In Freiham etwa, wo bald an die 25 000 Menschen leben sollen, hat München schon in den Sechzigerjahren unter dem damaligen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel mit dem "Sammeln" von Flächen begonnen. Inzwischen seien 90 Prozent der Grundstücke in kommunaler Hand, berichtet Markwardt. Aber es geht nicht nur ums Wohnen, sondern auch um Stadtentwicklung und Daseinsvorsorge. Weil der Stadt so viel Grund im Mangfalltal gehört, kann mit scharfen Umweltauflagen die Qualität des Münchner Trinkwassers garantiert werden. Und hätte die Kommune nicht jahrzehntelang auf Vorrat Grundstücke in Fröttmaning gekauft, stünde dort heute wohl keine Allianz-Arena.

Auf ehemals städtischem Grund gebaut: die Allianz-Arena im Münchner Norden. (Foto: Johannes Simon)

Bei den Immobiliengeschäften der Stadt, bei denen allein 2016 ein Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Euro erzielt wurde, geht es oft um strategische Ziele. Wo ist es sinnvoll, Flächen zu besitzen, um irgendwann einmal souverän und im Sinne der künftigen Bewohner Wohngebiete planen zu können? Aktuell bemüht sich das Kommunalreferat um möglichst viele Flächen im Entwicklungsgebiet Nordost jenseits der S-8-Trasse. Die Flächen gelten als der letzte große zusammenhängende Freiraum im Stadtgebiet und sollen später mit Wohnungen bebaut werden. Nach diesem Prinzip ist die Stadt schon an vielen Adressen verfahren: Die Kommune übernahm etwa nach 2004 die Luitpold-, Prinz-Eugen- und Bayernkaserne. Ohne das Immobilien-Portfolio des Kommunalreferats wäre aber auch die Schulbauoffensive nicht möglich. 2015/16 wurden 160 000 Quadratmeter Grund für acht neue Schulen genutzt. Acht weitere Schulen auf 143 000 Quadratmetern folgen von 2017 an - 36 000 Quadratmeter davon muss das Kommunalreferat erst noch kaufen.

Besonders wichtig sind die Immobilien-Deals für den Wohnungsmarkt. Denn die Einflussmöglichkeiten der Kommune auf den Mietmarkt sind begrenzt - dass es ohne kommunales Engagement für bezahlbare Mieten aber nicht funktionieren kann, ist aus Markwardts Sicht völlig unzweifelhaft. Dabei seien in der Vergangenheit durchaus Fehler gemacht worden: Bis 2005 hat die Stadt zur Haushaltskonsolidierung noch in großem Umfang Grundstücke versilbert. "Wenn man 1998 schon gewusst hätte, was wir 2017 für Probleme haben, wäre man wohl anders verfahren", so Markwardt, der die damals verkauften Flächen heute gerne noch in seinem Protfolio hätte. Inzwischen gilt: Verkauft wird nur noch, wenn zuvor diverse mieterfreundliche Klauseln vertraglich fixiert wurden. Baurecht rückt die Stadt nur noch heraus, wenn auf dem Grundstück ausreichend geförderte oder zumindest bezahlbare Wohnungen entstehen und der Investor für Straßen und Schulen mitzahlt.

Auch beim Vorkaufsrecht, mit dem die Stadt in Erhaltungssatzungsgebieten die Umwandlung in Luxuswohnungen verhindert, hat die Stadt ihre Linie verändert: Einst wurden die Häuser nach vertraglicher Fixierung von Mieterschutzklauseln reprivatisiert. Seit zweieinhalb Jahren wird ein Trick angewandt, um diese gesetzliche Vorgabe zu umgehen: Die Gebäude gehen sofort an GWG und Gewofag über - in deren Besitz dürfen sie dauerhaft verbleiben. Der Stadt bleiben damit ihre Einflussmöglichkeiten erhalten, die beiden Wohnungsgesellschaften sind zu 100 Prozent in kommunaler Hand.

Auch die großen Projekte des Kommunalreferats für 2017 haben überwiegend mit Immobilien zu tun. Die Feuerwache 5 soll an eine neue Adresse in der Anzinger Straße umziehen, Spatenstich ist im Juli. Und auf dem Viehhofgelände soll das neue Volkstheater entstehen. Ende des Jahres will Markwardt einen Generalübernehmer präsentieren.

In einer früheren Version dieses Textes hieß es, die Stadt München habe auch die frei werdenden Flächen an der Achse Hauptbahnhof-Laim-Pasing (den heutigen Arnulfpark) erworben und selbst entwickelt. Das ist falsch. Den Arnulfpark hat eine Projektgesellscahft der Bahn AG vermarktet.

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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