Beziehungsweise:Umzug im Kopf

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Marie Kondos Ratgeberbücher über die angebliche Kunst des Aufräumens verkaufen sich blendend. Wer Lena zur Freundin hat und mit ihr Umzug vier im Studentenleben bewältigen soll, ahnt in manchen Momenten, warum das so ist

Von Lisi Wasmer

Manche Menschen sind so geschäftstüchtig, dass sie ihr Geld damit verdienen, uns zu sagen, was wir schon lange wissen: Marie Kondo beispielsweise. Ihre Ratgeberbücher über die angebliche Kunst des Aufräumens verkaufen sich besser als Schokoladenosterhasen im April. Dabei würde wohl kaum jemand zugeben, er wisse nicht, wie er seine Socken richtig falten, sein Besteck sortieren oder sein Klopapier stapeln soll. Und wenn kein Platz mehr ist? Wegwerfen. Einfach.

Als Lena vor fünf Jahren in ihre erste eigene Wohnung in München zog, war auch noch alles einfach: Den Kinderkram wollte sie eh nicht in ihr neues Leben mitnehmen. Und alles andere ließ sich in drei großen Müllsäcken unterbringen. In den Kofferraum hatte sogar noch ihre Zimmerpalme gepasst, als sie sich leicht aufgekratzt hinter das Lenkrad klemmte, um endlich in Richtung Freiheit zu düsen. Heute, nach drei weiteren Umzügen und der Erkenntnis, dass das autonome Studentenleben fernab des Elternhauses vor allem die Freiheit von Spülmaschine, vollem Kühlschrank und Geld auf dem Konto bedeutet, ist das mit der Einfachheit so eine Sache.

Lena sitzt auf ihrem Giesinger Wohnzimmerboden in einem Kreis halb voller Umzugskartons. Wohnungswechsel vier steht an. Wie all ihre Sachen in den Kofferraum passen sollen, weiß sie noch nicht. Fest steht nur: Alles muss mit. Weil Lena nicht loslassen kann. Weder ihre Zimmerpalme, noch alles andere, was sich angesammelt hat. Nicht einmal ihre inzwischen fünffach geklebte Müslischale, die es beim Kauf von drei Packungen Knuspercornflakes umsonst dazu gab. "Die ist noch fast dicht", sagt Lena, bevor sie sie in den Geschirr-Karton legt - zur Schnabeltasse, aus der sie schon im Kindergarten getrunken hat und zum Kochtopf, dem seit der letzten Silvesterparty ein Henkel fehlt. "Außerdem hat Lukas da immer draus gegessen", schiebt sie noch leise hinterher.

Lukas kann Lena auch nicht loslassen. Dabei ist es inzwischen über drei Monate her, dass er ihr nach einem halben Jahr Beziehung erklärt hat, er wäre ja wirklich gerne mit ihr zusammen, momentan habe er aber einfach keinen Kopf dafür, seine Abschlussarbeit, sie verstehe sicherlich. Lena verstand nicht. Versteht immer noch nicht. Nur Gedanken macht sie sich. Seit drei Monaten. Ständig. Wie man für Liebe keinen Kopf haben kann, wo man doch gerade den dafür am allerwenigsten braucht - das mag ihr einfach nicht einleuchten. Lukas fehlt nicht der Kopf für die Liebe, sondern die Eier für ein anständiges Beziehungsende, sage ich und falte einen neuen Umzugskarton. Lena hört gar nicht hin. Weiß sie eh längst. Hilft aber nichts.

Ich frage mich, wie Marie Kondo wohl ein Gefühlschaos aufräumen würde: Den Typen ordentlich zusammenfalten? Männer nur noch stapelweise ins Schlafzimmer mitnehmen? Für die müsste Lena aber auf jeden Fall erst einmal Platz schaffen. Und das ist gar nicht so einfach.

Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt - eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche. "Beziehungsweise" erscheint im Wechsel mit der Kolumne "Bei Krause zu Hause". Weitere Kolumnen unter der Adresse http://jungeleute.sueddeutsche.de/tagged/Beziehungsweise

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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