Bettelbanden reisen zur Vorweihnachtszeit an:Lockvögel krimineller Hintermänner

Lesezeit: 3 min

Slowakische Bettlergruppen werden immer dreister - die Polizei rät den Münchnern, nicht zu spenden.

Susi Wimmer

Sie sind wieder da: Bettelbanden aus Osteuropa bevölkern die Innenstadt und wollen mit teilweise unverschämten Methoden das Mitleid der Menschen erregen. Sie betteln in allen öffentlichen Verkehrsmitteln oder stehen vor Kaufhäusern, einen Säugling oder Hundewelpen auf dem Arm. Die Polizei rät den Münchnern, besser nichts zu spenden.

Hinter manchem Bettler steckt ein krimineller Hintermann - aber nicht hinter jedem. Sich ein paar Worte mit dem Bettelnden zu unterhalten, kann helfen. (Foto: Foto: AP)

"Im Großen und Ganzen sind es immer dieselben Leute, die wir antreffen", sagt Polizeipressesprecher Peter Reichl. Und meint damit die aus Osteuropa stammenden Bettelbanden. "Etwa 25 bis 30 Leute" werden in Kleinbussen von so genannten Aufsehern rekrutiert und durch deutsche Städte geschleust.

"Die meisten kommen wie schon im letzten Jahr aus Rimavska Sobota", sagt Reichl, einer 25 000-Einwohner-Stadt in der Slowakei, nahe der ungarischen Grenze. Im Innenstadtbereich sitzen dann die Männer oder Frauen auf dem Gehsteig und strecken einen Pappbecher nach oben.

Frauen mit Baby und Hundewelpen

"Momentan wird still gebettelt", weiß Peter Reichl. Das heißt, die Bettler knien auf der Straße und senken den Kopf. Einige, sagt der stellvertretende Leiter der Polizeipressestelle, schrecken auch nicht davor zurück, eine richtige Mitleidstour zu fahren: "Es passiert immer öfter, dass Frauen mit Babys betteln oder Hundewelpen dabei haben."

Längst haben die Banden auch die öffentlichen Verkehrsmittel entdeckt: Sie fahren mit Bussen, U-Bahnen oder Straßenbahnen und betteln die Fahrgäste an. "Wenn wir sie kontrollieren, haben sie sogar einen gültigen Fahrschein dabei", erzählt Reichl.

Überhaupt: Die Bettler sind bestens informiert. Neben dem richtig gelösten MVV-Fahrschein wissen sie genau, dass die Polizei gegen stilles Betteln außerhalb der Fußgängerzone keinerlei gesetzliche Handhabe hat. Sie wissen genau, wie sie sich bei Polizeikontrollen zu verhalten haben. Oder, dass die Hundewelpen, die sie zum Betteln mitnehmen, nicht unter acht Wochen alt sein dürfen. "Und sie haben sogar einen Heimtierpass der EU für die Hunde dabei", sagt Reichl.

Was die Kinder anbelangt, die manchmal in der Kälte neben den Bettlern kauern, schaut die Polizei schon genau hin, ob sie verwahrlost sind.

"Die slowakischen Leute, die hier betteln, werden allesamt von diesen Hintermännern ausgenutzt", ist sich Peter Reichl sicher. Unlängst kontrollierte die Polizei am Sendlinger Tor zwei Bettler: Sie kamen aus Rimavska Sobota und hatten kein Geld dabei. Ein dritter Mann, der sich in der Nähe aufhielt und die Bettler beobachtete, wurde ebenfalls kontrolliert. Er hatte 90 Euro in Münzen in der Hosentasche.

Die Anführer, so schätzt die Polizei, kassieren bis zu 150 Euro am Tag ab, die Leute auf der Straße erhalten für ihre "Dienste" zehn Euro. "Wenn man bedenkt, dass in der Slowakei ein Sozialhilfeempfänger 30 Euro im Monat bekommt, dann ist das für die Leute viel Geld."

Nicht mit hiesigen Obdachlosen zu verwechseln

Jetzt, zur Vorweihnachtszeit, rechnet die Polizei damit, dass wieder vermehrt Bettlergruppen in die Innenstadt einfallen. Die Beamten raten den Bürgern, genau hinzuschauen, wem man etwas gibt. "Wir haben auch Obdachlose hier in München", meint Reichl, "die fallen dann hinten runter".

Eine Rivalität zwischen ansässigen und reisenden Bettlern hat Streetworker Franz Herzog von der Teestube "komm" des Evangelischen Hilfswerks in München allerdings noch nicht festgestellt. "Die meisten Hiesigen haben einen festen Platz, ihre Stammspender und werden von den Geschäftsleuten geduldet", sagt Herzog. Er und seine Kollegen sprechen alle Obdachlosen an, die auf der Straße sitzen.

Wie sie an die osteuropäischen Menschen rangehen sollen, "das wissen wir auch nicht so recht". Die meisten, die Herzog anspricht, stehen auf und gehen oder zucken nur mit den Schultern. Er spürt eine "große Zurückhaltung", und hinter dem Ganzen, meint er, "da steckt die Armut".

Niemand setze sich freiwillig auf die Straße, meint Herzog. Die Organisatoren dieser Betteltouren seien sicherlich kriminell, "aber die Menschen, die betteln, das ist die Armutsbevölkerung aus Osteuropa, die gnadenlos ausgenutzt wird." Er sieht Betteln als "Knochenjob" und findet die Sache "eigentlich traurig".

Was das Geben anbelangt, so rät er, besser nichts zu spenden. "Denn den Leuten wird damit nicht geholfen." Es bestehe eher die Gefahr, dass sich ihre Lebenssituation noch mehr verfestigen werde, wenn die Rechnung mit dem Betteln aufgeht.

Wer es wirklich nicht aushalten kann, die Not zu sehen, und im Vorübergehen spenden will, der sollte das fair machen, wünscht sich Franz Herzog. "Ich hab mal einen Mann beobachtet, der hat einem Bettler eine Münze in den Hut geworfen und dann neben ihm auf den Boden gespuckt."

© SZ vom 20.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: