Betrug bei Abiturprüfung:Stadt suspendiert Schulleiter

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Seine Antworten waren zu perfekt, das machte eine Lehrerin stutzig: Ein Münchner Schüler hat bei seiner Abiturprüfung offenbar Unterstützung bekommen - vom Schuldirektor. Die beiden sollen seit längerem engen Kontakt gehabt haben. Nun ist der Mann vom Dienst suspendiert worden.

Von Katja Riedel

Die Stadt hat den Schulleiter des Städtischen Thomas-Mann-Gymnasiums in Forstenried, Jörg L., bereits vor einigen Wochen vorläufig suspendiert. Das bestätigte das Personalreferat am Freitag. Nicht äußern wollte man sich bei der Stadt jedoch zu den Vorwürfen, die gegen den 61-jährigen Pädagogen erhoben werden: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll der Direktor seit Längerem eine enge Beziehung zu einem Schüler unterhalten haben und ihn in der schriftlichen Abiturprüfung im Fach Musik und wohl auch bei Prüfungen während des Schuljahres unterstützt haben.

Nach Aussagen, die der SZ vorliegen, soll dem zuständigen Referat für Bildung und Sport (RBS) sowie dem Hauptpersonalrat schon vor Monaten aus der Schulfamilie gemeldet worden sein, dass es Probleme mit dem Schulleiter und Auffälligkeiten gegeben habe. Konsequenzen wurden offenbar keine gezogen.

Der vorläufig suspendierte Schulleiter war am Freitag in der Schule nicht erreichbar. Dem Münchner Merkur hatte er gesagt, er habe sich nichts vorzuwerfen. Er sei nicht suspendiert und erhalte weiter seine vollen Bezüge, übe aber seine Dienstgeschäfte derzeit nicht aus. Die Schule teilte mit, dass man den Fall nicht kommentieren werde. Auch der Elternbeirat wollte nichts zu der Angelegenheit sagen. Das RBS äußerte sich bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe weder zu den Vorwürfen gegen den Schulleiter noch dazu, ob es tatsächlich seit Längerem über den persönlichen Kontakt informiert war.

Offenbar war der Zweitkorrektorin der Abitur-Klausur aufgefallen, dass die Antworten des Schülers, die insgesamt mit 14 Punkten bewertet worden waren, den Formulierungen im Erwartungshorizont des Kultusministeriums auffallend ähnlich waren. Diesen Befund meldete die Lehrerin dem Kultusministerium.

Das Kultusministerium prüft derzeit alle vier Abitur-Klausuren des betreffenden Schülers, bestätigte Sprecher Ludwig Unger am Freitag. Sollte sich der Verdacht erhärten, "kann dies schnell zu einer Causa werden, die die gesamte Schulaufsicht betrifft". Heißt: Es könnten auch weitere Klausuren unter die Lupe genommen werden. Nach SZ-Informationen sollen die Abituraufgaben nicht die ersten gewesen sein, bei denen der Schüler überdurchschnittlich gut abschnitt - oft besser, als Lehrkräfte dessen Leistungsvermögen eingeschätzt hatten.

Der persönliche Kontakt zwischen Schüler und Direktor ist offenbar im Kollegium schon länger bekannt. Einzelne Pädagogen hätten es abgelehnt, den Schüler weiter zu unterrichten, weil es wiederholt zu Streitigkeiten mit dem Schulleiter gekommen sein soll, wenn es um die Benotung ging, heißt es aus der Schulfamilie. Bei der Gymnasialabteilung des Schulreferats habe es bereits im Winter Beschwerden aus dem Kollegium gegeben.

Doch von der Stadt hörten die Lehrer des Thomas-Mann-Gymnasiums offenbar erst wieder, als das Personalreferat ein Schreiben verschickte, in dem es hieß, L. sei "wegen einer vorläufigen personalrechtlichen Verfügung" suspendiert.

Über frühere Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ist das Kultusministerium bisher nicht informiert. "Der Schulträger, also die Stadt München, hätte bei einem solchen Verdacht selbst Schulaufgaben prüfen oder uns informieren müssen", sagte Sprecher Unger. "Wir können erst eingreifen, wenn wir davon erfahren, und das war nicht der Fall." Lehrer an städtischen Schulen unterstehen nicht dem Freistaat, sie sind städtische Mitarbeiter. Ihr Vorgesetzter ist Stadtschulrat Rainer Schweppe.

Der Fall wirft viele Fragen auf. Wie der Schulleiter frühzeitig an die Abituraufgaben gelangt sein könnte, um den Schüler womöglich über deren Inhalt zu informieren, ist noch unklar. Die Regeln sehen vor, dass die Schulleiter die versiegelten Umschläge mit den Aufgaben in einem Tresor aufbewahren und erst im Beisein eines weiteren Fachlehrers das Siegel brechen. Ob dies allerdings in jedem und vor allem in diesem Fall regelkonform gehandhabt wurde, soll die weitere Aufklärung des Falls zeigen.

© SZ vom 20.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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