Besuch in München:Gesine Schwan lernt Weißwurst essen

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Beim Jazz-Frühschoppen in Bogenhausen lässt sich die Politikprofessorin auf die bayerische Lebensart ein - und begeistert die Menge.

Bernd Kastner

Stell dir vor, es ist Wahlkampf - und die kämpfen gar nicht. Dabei will der eine doch wieder in den Landtag, und die andere will gar Bundespräsidentin werden. Gesine Schwan ist zu Hans-Ulrich Pfaffmann zum Jazz-Frühschoppen in den Biergarten gekommen, aber weil es sich für ein Staatsoberhaupt in spe nicht gehört, auf die CSU einzudreschen, spricht sie ganz und gar "präsidial". So war es mit dem SPD-Kandidaten Pfaffmann abgesprochen, und siehe da, es kommt an beim Publikum.

Lernte beim Jazz-Frühschoppen die bayerische Lebensart kennen: Gesine Schwan mit Hans-Ulrich Pfaffmann (Foto: Foto: Heddergott)

Der Biergarten in Bogenhausen ist restlos überfüllt, 500 Leute hat jemand gezählt, groß ist die Neugier auf die Politikprofessorin, die bis vor kurzem die Universität in Frankfurt an der Oder leitete. Bei Melanie Gatzke zum Beispiel. Sie war jahrelang CSU-Mitglied, überaus aktiv, aber die Familienpolitik habe sie von den Schwarzen weggetrieben, erzählt sie. Jetzt ist sie offen und will Schwan kennenlernen. Als Frau und Person schätzte sie die Kandidatin sehr, "aber noch habe ich keine klare Vorstellung von ihr, was sie politisch will".

Werbung für Bildung

Bevor Schwan spricht, lernt sie bayerische Lebensart: Lässt sich erklären, wie man eine Weißwurst richtig isst, isst sie dann auch richtig und trinkt eine Halbe dazu, es ist halb elf vormittags. Dann steht sie vorne, ohne Bühne, ohne Pult, ohne Manuskript. Schwan teilt nicht aus, sie wirbt für mehr Bildung, weil sich nur so die Demokratie stärken lasse. 20 Minuten spricht sie, recht schnell, sehr dicht, für Szenenapplaus ist da kaum Luft, sie legt es aber auch nicht darauf an.

Als sie für kleinere Schulklassen plädiert, weil der Erfolg der Bildung vom persönlichen Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden abhänge, da klatschen die Leute. Aber wenn sie von Sigmund Freud und seinem nachwirkenden, autoritären Menschenbild redet, ist das nichts zum Schenkelklopfen.

Die Botschaft: Balance zwischen Wettbewerb und Miteinander halten

Und dennoch kommt ihre Botschaft rüber: Mehr Miteinander wagen! Die Menschen fördern! Die Balance halten zwischen Wettbewerb und Miteinander. Und sie beruft sich auf Barack Obama, den Superstar von der Siegessäule: Auch der fordere was von den Menschen, auch der wolle mehr Gemeinsamkeit, und die Menschen seien bereit, etwas zu leisten. "Wir schaffen zusammen mehr als jeder für sich allein." Der Applaus ist lang und kräftig, ehe Schwans Ehemann übernimmt: Peter Eigen hat sein Saxophon dabei und spielt mit der Jazzband ein paar Stücke.

Hinterher stellt Pfaffmann, der stolze Gastgeber, fest, dass keine Krüge geklirrt haben während der Rede, mucksmäuschenstill war es. "Auf sehr hohem Niveau" habe sie gesprochen, sagt Bernhard Ritzenhoff, Besucher, ehemaliger Chef einer privaten Schule und SPD-Mitglied, und dass er sehr angetan sei. Weil sie klar sage, dass der ökonomische Wettbewerb, das Gegeneinander, nicht alles sei. "Es ist eine Herausforderung, ihr zuzuhören." Es scheint, als suche so mancher Wähler diese Herausforderung.

© SZ vom 28.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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