Besonderer Lehrplan:Stylingtipps im Unterricht

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Am Bogenhauser Kirchplatz erhalten Schüler praktische Einblicke etwa in der Metallwerkstatt und Hilfe bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung. (Foto: Stephan Rumpf)

In der Berufsschule am Bogenhauser Kirchplatz lernen Schüler, wie sie einen Beruf finden - durch Bewerbungstraining und Rap-Workshops

Von Melanie Staudinger

Wer schwächere Schüler besser fördern will, der braucht auch zusätzliches Geld. Denn dafür reicht die öffentliche Schulfinanzierung einfach nicht aus. Diese Erkenntnis veranlasste Wilhelm Graf dazu, vor fast 16 Jahren einen Förderverein für die Schule zu gründen, an der er selbst 38 Jahre lang unterrichtet hat: der städtischen Berufsschule zur Berufsvorbereitung am Bogenhauser Kirchplatz. "Ich wollte weiter dazu beitragen, dass die Schüler in die Lage versetzt werden, dass sie ihr Leben und ihre berufliche Laufbahn meistern können", sagt der Pensionist. Das ist für viele Jugendliche an seiner alten Schule eine große Herausforderung. Am Bogenhauser Kirchplatz kümmern sich die Lehrer ausschließlich um Jugendliche, die noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, die ihren Abschluss nicht geschafft oder ihre Lehre abgebrochen haben.

Es sind Jugendliche, die aus sozial schwachen Familien stammen, die große Wissensdefizite haben, erhebliche Sprachprobleme oder deren Selbstbewusstsein und damit die Lust am Lernen auf ihrem Weg durch das Schulsystem irgendwann verloren gegangen ist. Sie sollen wieder Spaß haben, Ehrgeiz entwickeln, einen Schulabschluss machen - und im besten Fall eine Lehrstelle finden. Dazu erhalten sie Einblicke in Praxisfelder wie Metall- und Holztechnik, Fertigungs- und Fahrzeugtechnik, Gastronomie, Bürokommunikation, Büro- und Lagerorganisation, Gesundheit, Pflege und Erziehung. Und sie holen den verpassten Lernstoff in Deutsch, Geschichte, Sozialkunde, Erdkunde, Mathe und Informatik nach.

Fachkenntnisse alleine aber reichen für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben nicht aus - und hier kommt Wilhelm Graf und sein Förderverein mit den gut 40 Mitgliedern, fast alles ehemalige Lehrer der Schule, ins Spiel. Unermüdlich sammeln die Ehrenamtlichen Spenden, unter anderem vom Adventskalender der Süddeutschen Zeitung, und sie suchen nach Sponsoren, die bestimmte zusätzliche Projekte finanzieren. Gerade wieder ist es ihnen gelungen, ein Sponsoring von 10 000 Euro vom Preisvergleichsportal Check24 zu bekommen, das seinen Sitz in München hat. Mit diesem Geld kann Schulleiterin Gertrud von Reuss gleich vier Kurse anbieten, die sonst unbezahlbar wären.

Das Projekt "Baby-Bedenk-Zeit" bieten den Schülerinnen und auch Schülern die Möglichkeit, sich in einer Art Elternschaft auf Probe mit dem Thema Familiengründung auseinanderzusetzen. Jeder Teilnehmer nimmt eine lebensechte Puppe für zwei Tage mit nach Hause und muss diese wie ein echtes Baby versorgen. So erhielten die Jugendlichen einen realistischen Vorgeschmack darauf, wie sich der Alltag mit Kind so anfühle und wie viel Verantwortung dahinterstecke, sagt von Reuss. "Der hohe Selbsterfahrungswert macht das Projekt so wertvoll für die Persönlichkeitsentwicklung", erklärt sie. Und soll den Schülern zeigen, dass sie die Familiengründung besser auf die Zeit nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung verlegen.

In eine ähnliche Richtung geht der Workshop "WaageMut", bei dem die Jugendlichen einen Tag lang Aufklärungsunterricht haben und ihre Wissenslücken in Sachen Sexualität und Verhütung schließen können. "Der Großteil der Jugendlichen fühlt sich zwar ausreichend informiert, ist es aber nicht", sagt von Reuss.

Bei der Lehrstellensuche soll das Seminar "Stylingtipps" helfen. Einen Tag lang zeigt eine professionelle Kosmetikerin und Stylistin den Schülerinnen, wie sie sich bei einem Bewerbungsgespräch passend kleiden und sich dezent schminken, so dass sie in der formellen Gesprächssituation souverän auftreten können. Dabei wird aber auch Wert darauf gelegt, dass die jungen Frauen sich nicht verstellen müssen. Und sie erfahren auch, woran sie den Dresscode einer Firma erkennen. Zur Stärkung des Selbstbewusstseins bietet die Schule einen dreitägigen Workshop "Rap" an, bei dem die Teilnehmer ihre persönlichen Lebenserfahrungen in Musik, Gesang und Textgestaltung verarbeiten und dabei ihre kreativen Potenziale kennenlernen können. "Ohne den Förderverein hätten unsere Schüler weniger Chancen ", sagt die Schulleiterin. Das ist nicht nur an ihrer, sondern an vielen Schulen so.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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