Einzeln kennt die Figuren jeder Münchner: die Muttergottes auf der Mariensäule etwa, oder auch die Löwen vor der Residenz, an deren Wappenschilden Abergläubige gerne reiben, weil das Glück bringen soll. Zusammen aber, so wie alles vor mehr als 400 Jahren eigentlich geplant gewesen war, haben sie die Wenigsten bisher gesehen. Mitten in der Jesuitenkirche St. Michael sollte ursprünglich ein Grabdenkmal für den Kirchenstifter und seine Frau, Herzog Wilhelm den Frommen und Renata von Lothringen, stehen. Fast alle Teile wurden gefertigt, das Monument aber wurde nie zusammengefügt. Bald sollen Kirchenbesucher nun wenigstens einen Eindruck davon erhalten, wie es geplant war.
Das Münchner Architekturbüro Hagemeyer hat das Grabdenkmal digital rekonstruiert; von Ende dieser Woche an soll eine Informationstafel dazu seitlich in der Kirche stehen. Langfristig sind weitere Tafeln geplant. Sie sollen nicht nur kunsthistorische, sondern auch theologische Aspekte des Gebäudes und seiner Ausstattung erläutern. Ein neuer Kirchenführer und ein erweiterter Mobilguide seien ebenfalls in Arbeit, heißt es aus St. Michael.
Die 1597 geweihte Jesuitenkirche hat bereits einen Umbau hinter sich: Seit Anfang März ist ein Teil des einst geplanten Grabmonuments wieder ins Zentrum der Kirche gerückt: ein Kreuz mit daran fixiertem Christus, geschaffen 1593 von dem Renaissance-Bildhauer Giambologna, und mit einer davor knienden Maria Magdalena, einem Werk des Giambologna-Schülers Hans Reichle. Die beiden Figuren standen schon einmal im Mittelpunkt der Kirche, bis sie 1819 aus programmatischen und ästhetischen Gründen in ein Seitenschiff verbannt wurden. Ursprünglich aber sollten sie nicht für sich stehen, sondern Teil eines Ensembles aus 18 lebensgroßen Skulpturen aus Bronze sein, darunter vier Fahnenträger, zwei Ahnherren, zwei Schutzengel und das Herzogspaar. Es ist das Paar, an dessen ausschweifende Hochzeit im Jahr 1568 das Glockenspiel im Turm des Neuen Rathauses erinnert. Und über allem hätte eine goldene Madonna schweben sollen, die heute auf der Mariensäule steht.
Auf das Grabmonument war ursprünglich die gesamte Ausstattung der Kirche ausgerichtet gewesen. Der Hochaltar am Nordende der Kirche etwa war aufgestockt geplant worden, damit das Altarbild hinter dem mehr als sieben Meter hohen Denkmal zu sehen war. Der untere Teil wurde erst ergänzt, als feststand, dass das Grabmal nicht zusammengesetzt würde. Warum nicht, ist nicht restlos geklärt; womöglich wollten die Jesuiten nicht in einer Kirche predigen, in deren Zentrum ein totes Fürstenpaar lag. Die Teile des geplanten Monuments sind heute über die Altstadt verteilt; manche - etwa die Löwen - werden seit 2015 in den neuen Bronzesälen der Residenz gezeigt. Im Freien stehen noch Kopien. Visualisierung: Hagemeyer Architects