Berühmter Arzt:Cognac gegen Durchfall

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August von Hauner begründete die Münchner Kindermedizin

Von Stephan Handel

Kinder sind wie Erwachsene, nur kleiner - dass diese Annahme falsch ist, mussten Ärzte erst lernen. Kindermedizin ist keine sehr alte Fachrichtung, und sie ist fest mit München verknüpft, mit einem Namen, denn jedes Kind hier kennt und jeder Erwachsene erst recht: August von Hauner, der verewigt ist in dem Kinderspital, das er 1846 gegründet hat.

Hauner, 1811 in Neumarkt in Oberbayern geboren, war Armen-Arzt der Stadt München und kam als solcher mit dem ganzen Elend in Berührung: "Meist waren es erbarmungswürdige, hilflose Kinder, die ich oft in den schwersten Krankheiten ganz allein, ohne Pflege, ohne geeignete Nahrung oder Trank fand. Die Eltern mussten auf Broterwerb ausgehen, im günstigsten Fall stellten sie ein Glas Wasser an das Lager, aber an welch ein Lager!" Diese Verhältnisse bewegten Hauner so sehr, dass er Mäzene suchte und schließlich auch fand. Sogar Königin Therese, die Frau von Ludwig I., konnte er von seiner Sache überzeugen. 1000 Gulden steuerte er selber bei, und so begann die Arbeit: In einem Gebäude an der Sonnenstraße 27 zunächst, wo er schon im ersten Jahr 358 Kinder behandelte.

Die Methoden und der Wissensstand damals waren natürlich andere als heute: Durchfall wurde mit Cognac behandelt, zur körperlichen Stärkung der Kinder gab es täglich ein Glas Bier, und gegen Diphterie blies der Arzt den kleinen Patienten Silbersalpeter in den Rachen. Doch trotz dieser Therapieversuche, die heute bestenfalls belustigtes Kopfschütteln auslösen, war Hauner erfolgreich - so erfolgreich, dass er 1882 mit seinem Krankenhaus in einen Neubau an der Lindwurmstraße ziehen konnte, gleich am Goetheplatz: dorthin, wo das Haunersche Kinderspital bis heute steht. Generationen von Münchnern haben dort Behandlung, Linderung, Heilung und Trost gefunden.

Bei aller Anerkennung bleib August von Hauner jedoch ein Lebensziel verwehrt: Mehrmals beantragte er, an der Universität einen Lehrstuhl für Kinderheilkunde einzurichten und ihn selbst dorthin zu berufen. Doch mehr als eine Ernennung zum Honorarprofessor erreichte er nicht. Das hatte durchaus auch zu tun mit dem Dünkel in der Professorenschaft: Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse erwarb Hauner nicht im Labor, mit Mikroskop und Reagenzglas - sondern direkt am Krankenbett, im Kontakt mit seinen Patienten. Das jedoch erschien den Herren Ordinarien an der Universität dann doch zu gewöhnlich.

Am 11. Juni 1884 starb August von Hauner. Glaubt man einer damaligen Tageszeitung, war die ganze Stadt traurig: Insbesondere "werden Tausende von Müttern mit Thränen die Kunde von dem Hinscheiden Desjenigen vernommen haben, der ihnen den kranken Liebling gerettet. In den Palästen der Reichen wie in den Hütten der Armen wird sein Name noch lange forttönen." Und auch das Haunersche Kinderspital an der Lindwurmstraße, mittlerweile Teil des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität, wird bald Geschichte sein: Lange schon kann das Gemäuer die Erfordernisse moderner Medizin nicht mehr erfüllen. Es soll neu gebaut werden, im Sommer 2015 ist der Architektenwettbewerb entschieden worden, 2016 ist Baubeginn. Dann werden Münchens - Bayerns, Deutschlands - kränkste Kinder in Großhadern behandelt werden. Der Name des Gründers jedoch wird nicht vergessen: Die Kinderklinik trägt den Namen "Neues Hauner".

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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