Bergmesse am Ostbahnhof:Beten hoch über München

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Sonst werden hier Pool-Partys gegeben, am Sonntag feierte Pfarrer Schießler auf "Werk 3" eine Messe. (Foto: Robert Haas)

Pfarrer Schießler lädt zur Wallfahrt in ungewöhnlicher Umgebung - auf das Dach von "Werk 3" am Ostbahnhof

Von Jakob Wetzel

Richtig perfekt ist das Bergidyll dann doch nicht. Zwar steht hier oben eine urige Holzhütte, sie ist umgeben von Gras und Bäumen, und es stehen sogar ein paar Schafe herum: keine schlechten Voraussetzungen für eine Bergmesse. Nur: So ganz lässt es sich dann doch nicht ausblenden, dass die Schafe aus Plastik sind. Und dass die Hütte nicht in den Alpen steht, sondern auf dem Dach des "Werk 3", eines Ex-Fabrikgebäudes der Pfanni-Werke am Ostbahnhof.

Rainer Maria Schießler, der Pfarrer von Sankt Maximilian in der Isarvorstadt, hat am Sonntagvormittag zur Wallfahrt mit anschließender Bergmesse eingeladen - zur ersten katholischen Bergmesse in München, und zwar mangels Berg eben hierher, auf das "Werk 3". "Stellt's euch vor, die Schafe wären echt", sagt er zu Beginn. Irgendwann sollen hier oben ja wirklich leibhaftige Tiere grasen, Gras und Bäume sind echt. Vom Band lässt Schießler Stubnmusi spielen. Und das Dach liege zwar nur 59 Meter über der Isar, sagt er, aber auch von einem solchen Mini-Berg könnten die Ostfriesen ja nur träumen.

Außenherum geht es freilich doch eher urban zu. Statt auf Almen und Gipfel fällt der Blick auf Hochhäuser und Baustellen. Einen Steinwurf entfernt rattern Güterzüge vorüber. Unten, auf dem Party-Gelände nebenan, wirbelt einer mit einem Laubbläser den Dreck der vergangenen Nacht auf, Sonntag hin oder her. Und auf dem zugehörigen Parkplatz brüllen sich mehrere Männer an, es fehlt wenig zur Schlägerei.

Oben spricht Pfarrer Schießler vom Frieden. Er sehe täglich bange die Nachrichten, sagt er. "Ich dachte, ich gehöre einer Generation an, die nie wieder mit Krieg zu tun hat. Jetzt stehen wir am Vorabend eines möglichen Atomkriegs." Er bete um Frieden, "und weil ich alleine zu schwach bin, um das tragen zu können."

Begonnen hat die Wallfahrt um acht Uhr in der katholischen Kirche Sankt Maximilian. Schießler hat hier aus Paulo Coelhos Reise-Bestseller "Auf dem Jakobsweg" vorgelesen. Man gehe nur 3,1 Kilometer weit und 141 Treppenstufen hoch, hat er gesagt, man werde keine fremden Länder bereisen und auch nicht viele Leute treffen, "das Gros pennt noch". Aber es sei eine Wallfahrt. Etwa 120 Wallfahrer sind gekommen. Nach einer Andacht geht es erst einmal in die Mariahilfkirche. Die einzige Steigung des Weges führt von dort auf die Gebsattelbrücke, einen Aussichtspunkt auf Sankt Max. Über Sankt Wolfgang an der Balanstraße führt Schießler die Gruppe schließlich in die Tiefgarage des "Werk 3", wo - die Natur ruft - Vogelgezwitscher vom Band zu hören ist.

Auf dem Flachdach warten da schon Dutzende Gläubige, die nicht laufen wollten, sondern nur zur Bergmesse samt anschließendem Frühschoppen gekommen sind. "Wir sind heute in zwei Kirchen gewesen, in denen kein Gottesdienst stattfand, obwohl Sonntag ist", sagt Schießler später. Wenn es zu wenig Priester gebe, warum weihe die Kirche keine verheirateten Männer? "Es geht doch nicht um die Fundamente des Glaubens, sondern darum, wie wir ihn weitergeben!" Die Kirche brauche Mut, vertraute Wege zu verlassen. Auch die Bergmesse ist ein solcher Schritt. "Wir wollen uns nicht wichtig machen", sagt der Pfarrer. Es gehe auch nicht darum, unbedingt originell zu sein. Man feiere eine Messe an einem schönen Ort, das sei für die Gläubigen ein Erlebnis, wenn auch mit Laubbläser. Aber der Kirche bringe das eben nicht zuletzt Aufmerksamkeit.

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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