Bei Verdi und der IG Metall:Gemeinsam durch die Arbeitswelt

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Münchner Gewerkschaften drehen den negativen Trend bei Mitgliedern um: Sie gewinnen viele Junge und Frauen hinzu

Von Katja Riedel

Es dürfte nur wenige Menschen geben, die mit Gewerkschaften Attribute wie "sexy" oder "trendig" verbinden. Und doch erleben gleich mehrere große Münchner Gewerkschaften derzeit einen bemerkenswerten Trend. Sie gewinnen Mitglieder - mitunter sogar mehr, als die Gewerkschaften bundesweit Zulauf bekommen. Noch vor zehn Jahren stagnierten die Mitgliedszahlen, die Arbeitnehmervertretungen galten als überalterte Männerläden, vom Aussterben bedroht. Gegen diesen Trend haben sie sich gestemmt, sie haben neue Konzepte entwickelt, um auch für Junge und für Frauen attraktiver zu sein. Mit Erfolg.

Für Horst Lischka, der an der Spitze der zweitstärksten Münchner Gewerkschaft steht, der IG Metall, ist es eine kontinuierliche Entwicklung. Das sechste Jahr in Folge verkündete Lischka am Donnerstag ein Mitgliederwachstum. Waren 2004 noch 38 400 Metaller in München organisiert, sind es mittlerweile 43 600 - obwohl der industrielle Sektor in den vergangenen Jahren in der Stadt verloren hat. Besonders wächst die IG Metall deshalb bei den Angestellten. "Wir sind inzwischen zudem nicht mehr männlich dominiert", sagt Lischka. "Der Frauenanteil liegt bei mehr als 20 Prozent und damit sogar über der Quote weiblicher Beschäftigter in der Branche".

35 Prozent der Mitarbeiter in der Münchner Metall- und Elektroindustrie sind Gewerkschaftsmitglieder, bei MAN etwa sind es weit mehr: gut 80 Prozent, so Lischka. Bundesweit sind einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge nurmehr 17,5 Prozent der Beschäftigten in einer Gewerkschaft - drei Prozentpunkte weniger als 2012.

Gewinnen können die Gewerkschaften überall dort, wo Konflikte schwelen, dort werben sie auch offensiv um Mitgliedschaften: Während die Metaller etwa vom Aus bei den Gelddruckern von Giesecke und Devrient profitierten, gelang dies Verdi bei Konflikten bei den Erzieherinnen, bei Streiks bei der Post oder Konflikten im Einzelhandel. 1000 zusätzliche Mitglieder hat all das Verdi München 2015 beschert, insgesamt hat man nun etwa 59 000 Mitglieder, davon 45 Prozent Frauen.

Überdurchschnittlich stark hat Verdi München zuletzt bei Mitgliedern unter 28 Jahren gewonnen. Sie fühlten sich angesprochen durch politischen Kampagnen, die man verstärkt auch zu gesellschaftspolitischen Themen fahre, glaubt der Münchner Verdi-Chef Heinrich Birner. "Schwer haben wir es nur überall da, wo alles rund läuft. Deshalb biete man auch bei innerbetrieblichen Konflikten aktiv Hilfe an: "Wir engagieren uns aber nur dort, wo viele Organisierte davon profitieren. Wir sind kein Wohlfahrtsverband, sondern mitgliederfinanziert", so Birner.

Etwas schwerer haben es Kleinere wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Sie hat in München 5100 Mitglieder, war schon einmal bei fast 10 000, sagt Regions-Chef Mustafa Öz. Es habe in den vergangenen Jahren in zuvor besonders stark organisierten Betrieben Pleiten gegeben, etwa bei Müller-Brot. Und durch den Fachkräftemangel in der Gastronomie fehlten Neumitglieder. Doch Öz ist zuversichtlich: Es meldeten sich zunehmend gerade junge Gewerkschaftler, die sich auch in Gremien engagieren möchten.

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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