Behördenpanne:Münchner Uigure zu Unrecht abgeschoben

Lesezeit: 3 min

Weil ein Fax wohl nicht beim Kreisverwaltungsreferat Stadt angekommen ist, wird der Mann nach China geflogen. Dort verliert sich seine Spur

Von Heiner Effern, München

Unterstützer eines unzulässig abgeschobenen Uiguren fürchten um dessen Leben: Der damals 22 Jahre alte Mann wurde aufgrund einer Fax-Panne bereits am 3. April 2018 rechtswidrig von München aus nach China abgeschoben. Der Mann war trotz eines noch laufenden Verfahrens festgenommen und wenige Stunden später in ein Flugzeug nach Peking gesetzt worden. Ein solches Vorgehen sei "unzulässig", erklärt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die zuständige Behörde, das Kreisverwaltungsreferat München (KVR), sei durch ein Fax rechtzeitig über den sogenannten Asylfolgeantrag des Mannes informiert worden. Dort jedoch heißt es, dass dieses Schreiben nicht eingegangen sei.

Wer auch immer die Schuld an dieser Panne hat, die Folgen für den abgeschobenen Mann könnten katastrophal sein, fürchtet die Münchner Bundestagsabgeordnete Margarete Bause (Grüne). Das Volk der Uiguren sei in China massiven Repressionen ausgesetzt. "Es geht um Leben und Tod." Auch Anwalt Leo Borgman fürchtet Schlimmes für seinen Mandanten. Seit der Abschiebung habe er nichts mehr von ihm gehört, sagt er. "Ich hoffe sehr, dass er noch lebt." Über den Fall hatte zuerst der Bayerische Rundfunk berichtet.

Das Volk der Uiguren in der Westprovinz Xinjiang wird nach der Überzeugung von Experten von der chinesischen Regierung massiv unterdrückt und schikaniert. Viele Menschen sollen dort in Umerziehungslagern verschwinden. Adrian Zenz von der "European School of Culture and Theology" in Korntal schätzte die Zahl der Lagerinsassen Mitte Juni in der SZ auf mehrere Hunderttausend bis zu einer Million. Menschenrechtsexperten gehen davon aus, dass zum Beispiel schon eine Auslandsreise als Grund für eine Einweisung in eines dieser Lager reiche.

Der junge Uigure habe in seinem Asylfolgeantrag genau auf diese Gefahr Bezug nehmen wollen, sagt sein Anwalt. Er habe in München an Demonstrationen für die Rechte seines Volkes vor dem chinesischen Generalkonsulat teilgenommen und auch Flugblätter verteilt. Dadurch sei er nach einer Abschiebung stark gefährdet gewesen, politisch verfolgt zu werden. Diese Argumente habe er exakt an dem Tag vorbringen wollen, an dem er abgeschoben wurde. Etwa vier Stunden nach seiner Festnahme hätte er den Termin dafür beim Bamf gehabt. Doch den konnte er nicht mehr wahrnehmen, die Abschiebung lief bereits.

Laut einem Schreiben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) wurde der Asylantrag des abgeschobenen Uiguren am 29. Februar 2016 rechtsgültig abgelehnt. Abschiebung von Uiguren nach China würden aber in der Regel nicht vollzogen, sagt Anwalt Borgman. Sein Mandant sei bis zum 1. April 2018 in Deutschland geduldet worden. Am 27. März stellte der damals 22 Jahre alte Mann nochmals einen Antrag auf Asyl. Dieser Folgeantrag ist möglich, wenn sich seit einer Ablehnung des ersten Antrags die Lage entscheidend geändert hat.

Das Bamf verweist darauf, dass es das KVR in München per Fax darüber informiert habe. "Eine Empfangsbestätigung liegt vor." Ein Sprecher der städtischen Behörde widerspricht. Am entsprechenden Tag, den 29. März, weise das Empfangsprotokoll des Faxgeräts keinen Eingang eines solchen Schreibens aus, sagte er. Auch Innenminister Herrmann erklärt auf die schriftliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten Bause: "Bei der zuständigen Ausländerbehörde ging eine entsprechende Mitteilung des Bundesamts nicht ein. Die näheren Hintergründe hierzu wären gegebenenfalls dort zu hinterfragen."

In München jedenfalls bedauere man sehr, dass der Mann aufgrund einer Panne rechtswidrig abgeschoben worden sei, sagte der KVR-Sprecher. Die unterschiedlichen Angaben der beiden Behörden zum Fax-Ausgang beziehungsweise -Eingang kann man sich dort nur mit einem technischen Problem erklären. Anwalt Borgman, der oft mit dem Kreisverwaltungsreferat zu tun hat, stellt diesem grundsätzlich ein positives Zeugnis aus. "Das ist eine korrekt arbeitende Behörde, auf die ich nichts kommen lasse." Borgman kritisiert vor allem die Schnelligkeit, mit der sein Mandant nach zwei Jahren Duldung abgeschoben wurde: "Alles hopplahopp. Hätte man sich Zeit gelassen und den Anwalt informiert, dann wäre das alles nicht passiert. Und das ausgerechnet bei einem Uiguren, wo das besonders problematisch ist." Erschwerend kommt bei der Geschwindigkeit hinzu, dass zwischen dem 29. März und dem 3. April das lange Osterwochenende mit vier freien Tagen am Stück lag.

Erst vor wenigen Wochen war ein Afghane aufgrund einer Behörden-Panne rechtswidrig aus Mecklenburg-Vorpommern abgeschoben worden. Er soll nun nach Deutschland zurückgeholt werden. Das Bamf will auch im Fall des Münchner Uiguren prüfen, ob das möglich ist. Dessen Anwalt Borgman erwägt auch die Option, dies in einem Antrag zu fordern.

© SZ vom 07.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: