Bayern bremst Windkraftprojekte mit der 10-H-Regel aus:Klimaschutz ohne Windräder - wie soll das funktionieren?

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Warum wirbt der Wirtschaftsminister so für die Großrotoren - und gäbe es auch kleinere Windräder aus China? Ein paar kritische Leserfragen

"Aus für 38 Windräder" vom 9. Juli und "Flaute bei der Windkraft" vom 3. Juli:

Windkraft-Volksbegehren

Woher weht der Wind Herr Aiwanger? In einer großen Anzeige in der SZ vom 4. Juli 2020 wirbt das bayerische Wirtschaftsministerium für den Ausbau erneuerbarer Energien, um den Klimaschutz voranzutreiben. Unter dem großen Porträt von Wirtschaftsminister Aiwanger bietet die Regierung auch die Unterstützung von Windkraft-Projekten an, die von Kommunen getragen werden. Endlich löst sich die Blockade in Bayern, denkt man sich als Befürworter der Windkraft, dem wesentlichen Produzenten erneuerbarer Energie.

Erfreulich, dass in München-Freimann auf dem Gelände der ehemaligen Mülldeponie eine große Solaranlage entsteht. Aber deren Gesamtleistung beträgt nur ein Megawatt (MW). Ein einziges Windrad produziert auch in Schwachwind-Regionen 2 MW oder mehr. Den Rekord einer Offshore-Anlage auf dem Meer hält ein Windradtyp von Siemens-Gamesa mit sogar 14 MW. Auch wenn so viele Dächer und andere Flächen wie möglich mit Solarzellen bestückt werden sollten (das fördert Herr Aiwanger auch), die Windkraft ist doch die effektivste Art der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien.

Leider scheint Herr Aiwanger übersehen zu haben, dass derzeit in Bayern kein neues Windrad ans Netz geht, weil die 10-H-Regelung trotz Protest vieler Bürgerinitiativen und der Oppositionsparteien die meisten Projekte ausbremst. Die 10-H-Regelung wird laut SZ-Beitrag "Flaute bei der Windkraft" vor allem von der CSU-Landtagsfraktion strikt verteidigt. Sie arbeitet gegen die Interessen vieler engagierter Bürger, die bei der"Energiewende Bayern" (Motto der Anzeige) gerne mitmachen würden. Es muss doch möglich sein, die Bürger entscheiden zu lassen, ob in ihrer Gemeinde ein Windrad gebaut werden kann. Es muss doch nicht immer an dieser pauschalen Abstandsregel scheitern.

Der CSU-Landtagsfraktion muss endlich auf die Sprünge geholfen werden. Das geht meines Erachtens am besten mit einem Volksbegehren, wie es beim "Bienenretten" so erfolgreich war. Albert Kerler, Eresing

Standort-Anpassung nötig

Nach dem Lesen Ihres Berichts bleiben aber doch (zu) viele Fragen unbeantwortet: Liefert die Industrie heute keine kleineren Anlagen mehr, mit denen die Abstandsregelung eingehalten werden kann - und warum nicht? Jede Anlage dürfte doch seit jeher speziell auf den Standort angepasst werden. Warum können ältere Modelle nicht mehr geliefert werden? Windräder waren ja noch nie Massenprodukte, gibt es für nur zehn Jahre alte Anlagen dann noch Ersatzteile? Warum kann bei einer Einzelfertigung der Windkraftanlage nicht die (genehmigte) Masthöhe mit einem Maschinenhaus aus der aktuellen Fertigung kombiniert werden? Welche Eigenschaften der Anlagen müssen überhaupt genehmigt werden - wohl Standort, Masthöhe, Flügellänge, Emissionen, und was sonst noch?

Warum Sie darüber ausführlicher schreiben sollten? Weil die Windenenergienutzung wichtig ist und sinnlose Streitereien wie in Unterfranken die Nutzung der Windenergie sicher nicht voranbringen. Abgesehen davon bedeutet "10 H" ja nicht das Ende der Windkraftnutzung, sondern verlangt von den Herstellern eine Anpassung der Anlagen an die Standorte. Könnten die Chinesen die in Wargoldshausen (Unterfranken) passende Anlage liefern? Heinz Unruh, München

Geht's um Optik - oder Klima?

Die Windkraftgegner in Wargolshausen können sich auf die Schulter klopfen: Der Landtag hat den Weiterbau der Windkraftanlagen von "Regio E²" (die Firma Regionale Erneuerbare Energien GmbH, d. Red.) bei Wargolshausen-Wülfershausen per Gesetzesänderung verhindert. Damit wurde einmal mehr dem Floriansprinzip Vorrang vor Klimaschutz gegeben und der auch von der bayerischen Staatsregierung propagierten Energiewende zum Durchbruch verholfen.

Dabei wurden von den Gegnern - also die von der CSU angesehene Mehrheit der betroffenen Gemeindebürger - außer einer beeinträchtigten Wohnqualität, Umzingelung und Wertverlust kaum sachliche Argumente vorgebracht. Bei entsprechender Recherche von vertrauenswürdigen Quellen hätte man vorgeschobene Gründe wie Infraschall, Schattenwurf oder Diskoeffekt leicht ausräumen können (vergleiche zum Beispiel die im Internet abrufbare Broschüre des Bayerischen Landesamtes für Umwelt aus dem Jahr 2016: "Windenergieanlagen - beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit?"). Aber letztendlich ging es nur um die Optik: Man wollte die Anlagen nicht sehen!

Die CSU hat wie auch schon beim Windpark Streu&Saale auf eine lautstarke Minderheit gehört und ist, vielleicht im Hinblick auf Wählerverluste, eingeknickt. Schlimm ist, dass weder die regionalen Abgeordneten noch die Freien Wähler bei der Gesetzesverabschiedung ihre Stimme erhoben haben und nicht zumindest eine weitere Beratung im Hinblick auf den massiven "Gegenwind" einer großen Allianz von Befürwortern in den letzten zwei Wochen gefordert haben. Der Hauptberichterstatter MdL Alexander König (CSU) machte bei seiner Begründung eine schlechte Figur, zumal ihm bei den Gegenreden von SPD, Grünen und FDP stichhaltige Argumente ausgingen. Es wurde überdeutlich, dass man den eingebrachten Gesetzesvorschlag auf Biegen und Brechen durchsetzen wollte, ohne Rücksicht auf kommunalpolitische und juristische Belange. Ob damit die von König erhoffte Befriedung in den Kommunen einkehrt, ist zumindest fraglich. Peter F. Schmitt, Oberstreu

© SZ vom 14.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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