Bau der neuen Münchner S-Bahn-Stammstrecke:Tiefschürfende Grundsatzdebatte

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Sogar Max Maulwurf protestiert . . . SZ-Zeichnung: Dieter Hanitzsch (Foto: N/A)

Manche Leser freuen sich, dass endlich etwas vorangeht - andere halten die teure zweite Röhre für den falschen Weg, das Netz auszubauen

"Die Zukunft der S-Bahn" vom 30. März, "Der Jahrhundert-Knopf" vom 6. April und der Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke:

Pendler sind heilfroh

Es fällt auf, dass die lautstarken Gegner des Baus der zweiten S-Bahn-Stammstrecke nicht auf die tägliche Benutzung der S-Bahn angewiesen sind. Doch die Pendler aus dem Umland und die übrigen S-Bahn Benutzer sind froh, dass der Bau endlich beginnt. Die Haidhauser sehen nur engstirnig die Einschränkungen, die während der Bauzeit zwangsläufig auf sie zukommen. Für so einen überzogenen Egoismus bringe ich überhaupt kein Verständnis auf. Jeder Bau von S- und U-Bahnen sowie neuen Straßenbahnlinien bringt halt Einschränkungen für die unmittelbaren Anlieger mit sich. Das ist ganz sicher nicht erfreulich. Das galt auch für die siebenjährige Bauzeit des Südwesttunnels am Mittleren Ring.

Ich gehöre noch zu der Generation, die den Bau der heutigen S- und U-Bahnen Ende der 60er Jahre bewusst miterlebt haben. Wo jahrelang die offenen Baugruben vom Hauptbahnhof bis zum Isartor, vom Goetheplatz bis zur Münchner Freiheit und in der Ungererstraße bestanden und sich kaum jemand aufgeregt hat. Weil alle Münchner von der Notwendigkeit überzeugt waren. Alle fieberten der Fertigstellung entgegen. Wenn damals schon so ein engstirniges und egoistisches Denken vorgeherrscht hätte, hätten wir heute noch keine S- oder U-Bahn sowie Autotunnels und würden täglich noch mehr an unserem Verkehr ersticken.

Albrecht Koppold, München

Willkommen im Club

Die zweite Stammstrecke verbessert keine der bisherigen Verkehrs-Relationen. Durch den Entfall mehrerer Stationen und die tiefe Lage der neuen Strecke verschlechtert sich die Fahrzeitbilanz der Nutzer. Es werden weitere Wege und längere Fahrzeiten erzeugt, und bereits überlastete Stationen wie der U-Bahnhof am Hauptbahnhof bis zur Funktionsunfähigkeit überlastet. Anstatt neue Stationen anzufahren und an anderen Stellen mit der U-Bahn zu verbinden, um so ein Netz zu schaffen mit größerer Erschließungs-Tiefe, wird München erschlossen wie ein Straßendorf, alles auf einer Achse. Mit der Führung des zusätzlichen S-Bahn-Aufkommens ab Laim (oberirdisch unter den Gleisen zum Hauptbahnhof hindurch) über den Südring würde ein stabiles, leistungsfähiges Verkehrsnetz geschaffen, das der Entwicklung des ganzen Stadtgebietes dient. Der Bahnhof Poccistraße wäre ein starkes Bindeglied in diesem Netz. U-Bahn, S-Bahn und Regionalverkehr würden stadtnah verknüpft; der Aufwand dafür minimal (alle Stationen oberirdisch), vor allem dann, wenn man den Güter- und Fernverkehr ab der Isarbrücke unterirdisch zum Ostbahnhof führt.

Die neue Stammstrecke dient der Bahn AG als Vehikel, einen renditestarken Bahnhof mit Fördermitteln zu realisieren. Der einzig wirkliche Vorteil gegenüber der heutigen Situation ist die Verbesserung der "Regelmäßigkeit", da dann die Stammstrecke vier Gleise hat. Übrigens: Der Aufwand für den Bau einer Station/Strecke steigt exponentiell mit der Tiefe. München darf sich jetzt einreihen in die Liste der Städte mit den aus dem Ruder gelaufenen Kosten und Bauzeiten für neue Projekte.

Michael Krüger, München

Zu teuer, zu wenig Entlastung

Das Projekt eines Tieftunnels für die S-Bahn, als Jahrhundertleistung gefeiert, weist nach 25 Jahren Planung auch heute noch erhebliche Lücken im Konzept und in der Realisierung auf. Es werden nur drei Bahnhöfe angefahren, aber kein Umsteigepunkt entlastet. Kein neues Stadtgebiet im Süden und im Norden wird erschlossen, die Autopendler zu BMW im Norden und die Besucher der Messe "Bauma" im Osten stehen weitere Jahrzehnte im Stau. Die großen Potenziale mit neuen Fahrzeugen und einer Direktverbindung durch die Innenstadt für die Regional- und Fernzüge erfasst das monströse Projekt noch immer nicht. Auch wenn die Bahn und der Freistaat vier Milliarden Euro aus dem Bayernetat abzweigen, wird wohl für die notwendigen Ausbauprojekte beim ÖPNV in Bayern und für die S-Bahn kein Euro mehr zu haben sein. Der Ministerpräsident hat es allerdings versprochen, wir werden ihn beim Wort nehmen und die dringenden Projekte im Nahverkehr und für das Schnellbahn-Gesamtnetz einfordern.

Dr.-Ing. Wolfgang Beyer, München

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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