Seit Jahrzehnten leitet Karl-Heinz Hoffmann einen gehobenen Bäckereibetrieb in München. Als Landesinnungsmeister der bayerischen Bäcker hält er vom Mindestlohn in der jetzigen Form nichts.
SZ: Herr Hoffmann, deutsche Gewerkschafter feierten kürzlich in Berlin ein Jahr Mindestlohn - mit Kuchen. Hätten Sie auch ein Stück genommen?
Hoffmann: Nein. Es feiern nur Menschen, die noch nie in Verantwortung waren für ein Unternehmen und ideologisch gesteuert sind. Von der Frau Nahles (Arbeitsministerin, Anmerkung der Red.) angefangen bis hin zu den Gewerkschaften.
Was hat sich denn mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns geändert?
Inzwischen gibt es Einschränkungen der Arbeitszeit. Der Lohn an sich, die 8,50 Euro, sind in München kein Thema. Das Drumherum ist das Schlimme.
Was ist das Drumherum?
In München haben wir Vollbeschäftigung, deshalb findet man sehr schlecht Personal. Die Leute, die ich habe, würden gerne mehr arbeiten, dürfen aber nicht. Weil das Gesetz sagt, dass nach acht Stunden Schluss sein muss. Das ist in einer Bäckerei schwer machbar.
Sie haben Angestellte, die mehr arbeiten wollen, aber nicht dürfen?
Genau. Weil Frau Nahles sagt, dass man an 15 Sonntagen im Jahr nicht arbeiten darf. Wer das trotzdem möchte, ist verleitet eine kleine Kurve zu fahren in der Geradlinigkeit. Ich würde nie etwas tun, was nicht korrekt ist. Aber das Mindestlohngesetz ist eine ungute Geschichte und kein Schwarzarbeit-Verhinderungs-Gesetz.
Mussten Sie in Ihrem Betrieb den Lohn Anfang 2015 anheben?
Überhaupt nicht. Wir waren schon weit drüber. Ich brauche Profis, die habe ich, aber die arbeiten nicht für unter 13 Euro. Leider. Ich brauche sie sieben Tage die Woche. Doch das funktioniert leider nicht mehr. Deshalb ist das ein Arbeits-Verhinderungs-Gesetz. Viele Menschen wollen mehr arbeiten, und das geht nicht.
Gibt es denn keine Möglichkeit, den Wünschen beider Seiten gerecht zu werden?
Mit Tricks bestimmt. Aber das will ich nicht. Und damit gehört man im Moment zu den Verlierern. Das ist traurig. Wir werden von Gewerkschaften und der SPD regiert, nicht von der CSU/ CDU. Das ist leider so. Die Politik verhindert Arbeit.
Wie wird es denn weitergehen mit dem Mindestlohn?
Ich nehme an, dass noch in diesem Jahr der Mindestlohn auf zehn Euro angehoben wird, wenn nicht höher. Da kommt noch was. Auch dieser Betrag wird uns in München nicht treffen. Obwohl es auch hier Jobs gibt, die keine zehn Euro wert sind, nicht einmal 8,50 Euro.
Aber finden Sie nicht, dass jede Arbeit so entlohnt werden sollte, dass man davon leben und für eine Familie sorgen kann?
Da gebe ich ihnen hundertprozentig Recht. Bei uns in der Bäckerei kriegt selbst der, der die niedrigsten Arbeiten tut, mehr als zehn Euro. Mindestbezahlung an sich ist wünschenswert.
Sie wünschen sich also andere Regelungen für die Mindestbezahlung?
Ja. Wenn einer sagt, er will nicht nur vier, sondern 46 Stunden arbeiten und ich ihm die Stunden bezahle, dann sollte das okay sein. Im Moment ist es so: Wenn er heute zehn Stunden arbeitet, darf er morgen nur sechs arbeiten, damit er am Ende bei zweimal acht Stunden rauskommt. Und darüber haben wir überhaupt noch nicht gesprochen: die Bürokratie.
Die Dokumentation der Arbeitszeit?
Ja. Ich habe 41 Mitarbeiter. Und alle 41 machen mehrere Fehler im Monat beim Eintragen ihrer Arbeitszeiten. Nicht absichtlich, aber sie vertippen sich. Deshalb sitzt bei mir eine Dame im Büro, die am Monatsende zwei Tage lang nur Fehler ausbessert. Das sind alles Kleinigkeiten. Aber ich will es korrekt machen. Denn wenn der Zoll kommt - bei mir war er noch nicht -, dann möchte ich alles lückenlos nachweisen können.
Der Mindestlohn scheint Ihnen Probleme zu bereiten.
Ja. Gerade der Sonntag. Ich würde mein Geschäft gerne zulassen, aber die Bäcker brauchen diesen Sonntag. Zumindest Sonntagnachmittag arbeiten wir nicht. Was mir in der Kasse fehlt. Aber meine Mitarbeiter sagen: Chef, ich arbeite für dich immer gerne, aber am Sonntagnachmittag kannst du mich mal - zum Kaffee einladen.