Badeunfälle in der Region München:Gefährliche Gewässer

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Sechs Menschen sind bereits bei Badeunfällen in der Region München gestorben. Häufig haben die Opfer getrunken oder gehen auf abenteuerliche Schlauchboottouren. Viele Unglücke könnten vermieden werden.

Von Anne Kostrzewa

Sonnenstrahlen funkeln auf der Wasseroberfläche, das nächste Helle kühlt in der Eistasche. Noch ein Schluck, dann ab in den See: Abkühlen und mit den Spezln um die Wette schwimmen! Wohl kaum jemand rechnet in einem solchen Badesee-Idyll damit, den Sommertag nicht zu überleben. Doch gerade die Kombination aus Alkohol und Übermut fordert in den Münchner Gewässern immer wieder Tote. "Der durchschnittliche Ertrinkungstote ist 35 Jahre alt, männlich, sportlich und gesund", sagt Randolph Penning, Professor für Rechtsmedizin an der LMU. "In der Hälfte aller Fälle wird der Betroffene im Wasser bewusstlos und geht dann unter. Fast immer ist Alkohol im Spiel."

Auch die Münchner Feuerwehr muss immer wieder ausrücken, weil sich bierselige Freizeitsportler überschätzen. "Das Extremste sind gerade die Schlauchboot- und Floßfahrten auf der Isar. Nahezu alle Personen, die wir dort retten müssen, sind alkoholisiert", sagt Brandinspektor Friedrich Oberbauer von der Branddirektion 5 in Ramersdorf. "Viele sind ohne Schwimmwesten und manche sogar ohne Paddel unterwegs." Einsätze dieser Art gingen für die Paddler "in der Regel" glimpflich aus, sagt Oberbauer; die rund 100 Rettungstaucher der Münchner Feuerwehr werden speziell für Einsätze dieser Art geschult.

Erfahrung ist lebenswichtig

Das Risiko, das unerfahrene Paddler auf der Isar oftmals eingehen, sei aber leicht vermeidbar, betont Oberbrandmeister Thorsten Woydt: "Die Unfälle passieren besonders dann, wenn unerfahrene Paddler das Wasser unterschätzen oder ihre billigen Boote zerreißen und sie daraufhin kentern." Er rät, nur mit Rettungsweste und in jedem Fall nüchtern aufzubrechen und einige einfache Regeln zu beachten. "Vor jeder Fahrt sollte man sich auf jeden Fall informieren, ob das Gewässer befahrbar ist und das Wetter eine Flussfahrt zulässt. Und wer gar keine Erfahrung hat, sollte nur in Begleitung eines Experten fahren oder ganz die Finger davon lassen", sagt Woydt.

(Foto: N/A)

Mangelnde Erfahrung ist es auch, die neben Alkohol immer wieder Badeunfälle provoziert - denn viele Opfer tödlicher Badeunfälle können kaum oder gar nicht schwimmen. Bieten ein Schlauchboot oder die Rettungsweste den in Seenot geratenen Paddlern zumindest etwas Sicherheit, bis die Rettungskräfte vor Ort sind, zählt in Badeseen jede Sekunde. Wer unbemerkt untergeht, hat so gut wie keine Chance, lebend gefunden zu werden.

Schon sechs Badeunfälle endeten heuer im Münchner Raum tödlich, vier davon in Seen. Die Fälle zeigen auf tragische Weise, wie gefährlich Seen auch dann noch sein können, wenn den Ertrinkenden sofort jemand zu Hilfe eilt. Den traurigen Auftakt bildete im Juni der Tod eines Paares im Unterschleißheimer See. In ihrem Fall war nicht Alkohol der Auslöser, sondern Selbstüberschätzung: Beide Opfer waren Nichtschwimmer. Als seine Freundin vom flachen Bereich ins tiefe Wasser geriet, wollte der Mann sie retten. Auch er ging unter.

Zuletzt ertrank ein junger Mann im Heimstettener See, er soll ein schlechter Schwimmer gewesen sein. Seine Freunde hatten gesehen, wie er unterging, waren sofort zu ihm geschwommen. Im trüben Wasser konnten sie ihn aber nicht mehr finden. Rettungstaucher bargen seine Leiche Stunden später vom Grund des Sees.

Laut Rechtsmediziner Randolph Penning genügen bereits wenige Minuten unter Wasser, um das Gehirn irreparabel zu schädigen. Gelingt am Ufer eine Wiederbelebung, schlage zwar das Herz wieder, sagt Penning. Lebensfähig sei der Mensch danach aber nur noch im Ausnahmefall.

Wird der Schwimmer im Wasser bewusstlos, sei das Ertrinken für ihn "relativ schmerzlos", so der Mediziner: "Er merkt nicht, wie er erstickt." Wer bei Bewusstsein untergeht, etwa weil er nicht schwimmen kann oder im Wasser einen Krampf bekommt, leide umso mehr: "Er weiß genau, dass er es nicht überlebt, wenn er unter Wasser einatmet. Also hält er die Luft an, so lange er kann. Aber irgendwann schafft er es nicht mehr und atmet trotzdem ein."

Niemand ist vor Badeunfällen gefeit

In diesem Moment, wenn sich die Lunge mit Wasser füllt, sinkt die Überlebenschance des Untergegangenen bereits deutlich - denn das Wasser bleibt nicht in der Lunge, es gelangt ins Blut und verteilt sich so im ganzen Körper. "Da unser Blut viel Salz enthält, zieht es die Flüssigkeit aus den Lungenbläschen in die Blutbahn", erklärt Penning. "Das restliche Wasser wird hin- und her geatmet und bleibt schließlich als schaumige Flüssigkeit in den Atemwegen." Wenn dann kein Sauerstoff mehr nachkomme, verliere der Betroffene nach kurzer Zeit das Bewusstsein. Der Todeskampf unter Wasser dauere vier bis fünf Minuten. Die Lunge schwelle dabei auf ihre dreifache Größe an. Auch deshalb sei es in der Pathologie problemlos möglich, nach gewöhnlichen Badeunfällen die Todesursache zu ermitteln.

Vor Badeunfällen gefeit ist niemand, darüber sind sich die Experten der Feuerwehr, Wasserwacht und Rechtsmedizin einig; auch der erfahrenste Schwimmer kann im Wasser ohnmächtig werden oder einen Krampf erleiden. Ebenfalls herrscht jedoch Einigkeit über die Tatsache, dass jeder das persönliche Risiko eines Unfalls im Wasser reduzieren kann, der Paddler in der Isar ebenso wie der Badende am See: Wer ausgeruht und nüchtern schwimmt, in der Gruppe aufbricht und die Witterungsverhältnisse berücksichtigt, handelt verantwortungsbewusst. Direkt nach dem Essen ist Baden tabu - die Schwimmbad-Regeln gelten auch und gerade in Wildgewässern. Wer schlecht oder gar nicht schwimmen kann, sollte Seen und Flüsse meiden, denn oft erfolgt der Übergang zum tiefen Wasser abrupt. Eine Regel gilt uneingeschränkt für jeden: Selbstüberschätzung kann im Wasser tödlich enden.

© SZ vom 20.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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