Autobahnsüdring:Die Unvollendete

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Die Debatte um einen Ringschluss der Autobahn im Süden spaltet den Landkreis seit Jahrzehnten. Selbst in den meisten Parteien ist man sich uneins. Eine Umfrage hat nun ergeben: Die Mehrheit der SZ-Leser würde den Bau befürworten.

Von Martin Mühlfenzl

Es ist ein regnerischer Sommertag im Juli vor acht Jahren. Unter einem Banner, auf dem in großen Lettern "Kein Südring" zu lesen ist, steht die damalige Grünen-Landtagsabgeordnete Susanna Tausendfreund samt Mikrofon und versucht trocken zu bleiben. Neben ihr leitet ihre CSU-Kollegin Kerstin Schreyer das Wasser von der bedruckten Plane ab, damit die beiden politischen Gegner, die hier auf der Isarbrücke bei Grünwald in so seltener Eintracht versammelt sind, nicht nass werden.

Das Video des Auftritts ist noch immer im Internet zu finden. Es war kein Zufall, dass sich Tausendfreund, Schreyer und die vielen Demonstranten genau hier, an einem der idyllischsten Plätze im Münchner Süden, trafen. Erstens wollten sie zeigen, wie schön es hier ist, und zweitens wollten sie ein Signal setzen, dass noch wahnsinnig viel Wasser die Isar hinunter laufen muss, bis an dieser Stelle irgendwann eine Autobahn gebaut wird.

Der im Süden so verhasste Südring gehört zu den Lebensthemen von Susanna Tausendfreund, die sich heute als Pullacher Bürgermeisterin gegen den Ringschluss rund um die Landeshauptstadt wehrt. Sie weiß aber auch: "Die Debatte wird immer wieder aufflammen. Aber ich werde mich immer tatkräftig dafür einsetzen, dass wir ein letztes Stück wirklicher Natur hier im Süden dauerhaft schützen."

Franz Schwarz lacht, wenn er auf die Diskussion angesprochen wird - obwohl es für ihn als SPD-Kreisrat und langjährigen Bürgermeister von Unterföhring kein lustiges Thema ist. "Ich kämpfe schon lange für den Südring", sagt Schwarz. "Bisher aber erfolglos." München und die Region, sagt Schwarz, dürften sich den Luxus eines nicht geschlossenen Autobahnrings nicht leisten. "Das ist einer Stadt, die von sich selbst behauptet, eine Metropole zu sein, nicht würdig."

Tausendfreund und Schwarz stehen stellvertretend für einen regionalen Konflikt, der seit Generationen den Landkreis spaltet und selbst durch fast alle Parteien tiefste Gräben reißt. Nur die Grünen lehnen den Autobahn-Südring, der sich dem Willen der Befürworter nach von Unterhaching südlich von Grünwald und durchs Würmtal nach Westen ziehen soll, geschlossen auf allen Ebenen ab. In allen anderen Parteien aber wird deutlich, dass sich alle jene, die im Norden leben, für den Südring aussprechen und die Bürger im Süden ihn ebenso hartnäckig ablehnen. Auch die Bevölkerung ist gespalten, wie die SZ-Umfrage zeigt. Danach sprechen sich 60 Prozent für den Autobahn-Südring aus - eine klare Mehrheit. Besonders groß ist die Zustimmung im Norden des Landkreises mit nahezu 80 Prozent; im südlichen Landkreis fällt sie erwartbar deutlich geringer aus.

SZ-Grafik (Foto: iu)

Die Befürworter stellen stets die Solidaritätsfrage: Wäre es nicht gerecht, wenn auch die Menschen im Süden ihre Last tragen und nicht nur die Einwohner und Verkehrsteilnehmer im Norden unter dem ewigen Stau leiden? Die Gegner kontern, ein Südring bringe nicht die erhoffte Entlastung, und sie verweisen auf die wichtige Naherholungsfunktion des Südens.

Pläne für einen geschlossenen Autobahnring gibt es seit den Dreißigerjahren; allerdings wurden diese mit Beginn des Zweiten Weltkriegs fallen gelassen. Mit dem Wiederaufbau lag der Fokus auf den Trassen im Norden und Osten, den Autobahnen nach Salzburg, Nürnberg und Stuttgart - und je mehr Verkehr diese wichtigen Straßen anzogen, desto mehr wuchs die Erkenntnis im südlichen Kreis, nicht Teil dieser gigantischen Abgaswolke werden zu wollen. 2009 aber, in dem Jahr als Susanna Tausendfreund auf der Brücke über die Isar mobil machte, bekam die Debatte "eine andere Qualität", sagt Pullachs Bürgermeisterin. Damals erschien der erste Teil der Machbarkeitsstudie, die eine Lösung mit Tunnels durch das Isartal empfiehlt. "Eine verkraftbare Idee", sagt Franz Schwarz. "Das kommt so nicht", widerspricht Susanna Tausendfreund.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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