Auszeichnung:Bürgerpreis für hartnäckigen Gitarristen

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Bürgerpreis für Erik Berthold: "Ohne Menschen wie ihn wäre die Musikkultur vor Ort deutlich ärmer", heißt es in der Begründung. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Erik Berthold spielt bis zu 200 Konzerte im Jahr - darüber hinaus betreibt er ein Musikgeschäft, leitet eine Musikschule und bietet Musikworkshops für behinderte Kinder an

Von Gerhard Summer, Oberpfaffenhofen

Das ist bitter, aber die Regel in Zeiten des Online-Handels: Die Kleinen sterben, die Großen werden immer noch größer, bis sie vielleicht irgendwann platzen. Wer sich vor fast neun Jahren in Erik Bertholds "Acoustic Corner" verirrt hatte, dürfte sich spätestens beim Rausgehen gefragt haben, wie lange dieser 40-Quadratmeter-Laden im dörflichen Oberpfaffenhofen bei Weßling überleben wird. Ein Musikgeschäft mit teuren Gitarren, angesiedelt am zivilisierten Rande des von High-Tech-Firmen und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) flankierten Sonderflughafen-Rollfelds - konnte das gut gehen?

Erstaunlicherweise ja. Der Profi Berthold, ein Folk-, Bluegrass- und Rockabilly-Musiker, expandierte sogar. Er etablierte eine Gratis-Konzertreihe. Er baute eine private Musikschule auf, die "Easy Learning Music School", die inzwischen 15 Lehrer beschäftigt und etwa 200 Schüler hat. Und der 51-Jährige und sein Team fingen damit an, Musikworkshops für behinderte und nichtbehinderte Kinder zu geben, ob in Montessorischulen oder Förderzentren wie der Fünfseen-Schule und der Lebenshilfe in Starnberg. Im Dezember hat Berthold deshalb den Deutschen Bürgerpreis in Berlin erhalten. Die Begründung: "Ohne Menschen wie ihn wäre die Musikkultur vor Ort deutlich ärmer."

Der in fünf Kategorien verliehene Bürgerpreis, eine hoch dotierte Auszeichnung, soll ehrenamtliches Engagement würdigen. Dahinter steht eine Initiative, in der Institutionen wie der Deutsche Städte- und der Landkreistag sowie Bundestagsabgeordnete vertreten sind. Der Preis ist kein "Echo", aber trotzdem begehrt. 2300 Künstler und Gruppen hatten sich beworben, am Ende kürte die Jury den umtriebigen Gitarristen und Sänger, dem in Weßling so etwas wie ein kleines Wunder gelungen ist, zum "engagierten Unternehmer".

Bertholds Erfolg gründet vor allem darauf, dass er im Landkreis Starnberg Gott und die Welt kennt. Der Musiker mit Vorliebe für die Singer-Songwriter der Siebzigerjahre wie Gordon Lightfoot und John Denver ist seit Jahrzehnten im Geschäft und bestreitet selbst bis zu 200 Auftritte im Jahr. Er ist sich für nichts zu schade, ob es um die Floßfahrt auf der Isar geht oder um die Erstkommunion in der Kirche. Zu seinem Bekanntenkreis gehören ein paar hundert Musiker im Dunstkreis von München. Schon klar, dass es bei der Eröffnung seines "Acoustic Corner" in einem ungebauten alten Bauernhof mit einstigem Kramerladen eng zuging: An die 200 Gäste waren gekommen.

Der Netzwerker bringt aber noch eine andere wichtige Eigenschaften mit: Berthold, der in einer deutsch-amerikanischen Familie am Rande der McCraw-Kaserne in München-Giesing aufgewachsen ist, einst auf Kriegsfuß mit Autoritäten stand, alle Schulen abgebrochen hat und mit seiner runden Nickelbrille und der Pferdeschwanzfrisur ein wenig wie eine Lehrerkarikatur aussieht, kann erstaunlich hartnäckig sein. Ein Sturkopf im besten Sinne. Einer, der sich reinbeißt, nie Urlaub macht und auch nicht verzweifelte, als er den Papierkrieg führen musste, um seine Privatschule genehmigt zu bekommen.

Dass er und seine Lehrer mit Behinderten arbeiten, hat mit einem von Bertholds fünf Kindern zu tun: seinem Sohn Philipp, der am Down-Syndrom leidet. Erst nahm Berthold seinen Jungen zu Auftritten mit, bald spielte er bei Sommerfesten der Lebenshilfe, schließlich kam er auf die Idee, Workshops anzubieten. Inzwischen tritt er auch regelmäßig mit einem jungen Autisten auf, der verdammt gut auf dem Klavier ist. Und nun soll er die Francis-Band der Franziskusschule Starnberg managen, deren Betreuer in Pension gegangen sind.

Was er mit dem Berliner Preisgeld anfangen wird, weiß er auch schon: Berthold will mit den 5000 Euro die erste öffentliche E-Ladestation in Weßling einrichten. Denn er und seine 15 Lehrer sind ständig mit einem gesponserten E-Auto auf Achse. Das Problem: Die Stiftung des Bürgerpreises "versteht das gar nicht", ihr wäre es lieber, wenn das Geld in Instrumente investiert würde. Berthold, der ein Bairisch ohne jeden amerikanischen Akzent spricht, fällt dazu nur ein: "Aber des kriag i scho hi."

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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