Ausstellung "#mitmünchnern":Wir sind spitze

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Die Leistungsschau in der Rathausgalerie wirkt wie ein gemeinsamer Nenner der Wahlprogramme von Grünen, Roten und Schwarzen für eine Stadt, die so gerne smart sein will

Von Bernd Kastner

Ein oben abgeschnittener Laternenmast steht im Rathaus, an der Seite ist er offen, zu Demo-Zwecken. Man blickt auf Kabel und andere elektronische Innereien. Was da drin hängt, ist Münchens Zukunft, zumindest ein Teil davon, ganz sicher aber ist es: smart. In München, muss man wissen, gibt es ein "Smarter-Together-Projektgebiet", ganz im Westen liegt das, in Neuaubing-Westkreuz und Freiham, und dort werden "innovative Smart-City-Lösungen" getestet, zum Beispiel dieser Lichtmast. 60 Stück gibt es, man merkt das kaum, so smart sind sie.

"Smart" ist die Lieblingsvokabel der Stadtverwaltung: klug, gescheit, clever, intelligent, alles Gute scheint in dieses englische Wörtchen zu passen. Und so wundert es nicht, dass die Jahresausstellung des Planungsreferats in der Rathausgalerie ein smartes Bild von München präsentiert, mit der Laterne als Leuchtturm. Sie macht nicht nur hell, sondern misst auch Feinstaub und Stickoxide, zählt den Verkehr und versorgt die Umgebung mit Wlan. Sonst nichts? Das will Dieter Reiter wissen, als er die Ausstellung besucht. Der Oberbürgermeister hätte da, "weil wir ja von Zukunft reden", noch eine Idee: Warum meldet das Ding nicht auch freie Parkplätze, um den Autofahrern das Suchen zu ersparen und den Anwohnern den Suchverkehr?

Oberbürgermeister Dieter Reiter lässt sich von Stadtbaurätin Elisabeth Merk die Ausstellung "#mitmünchnern" zeigen. Sie trägt eine Augmented-Reality-Brille, in der man "schon jetzt die Dimension des neuen Stadtteils Freiham im Münchner Westen erahnen" kann - so der Erklärtext. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Stadt lädt zur Leistungsschau. Und zum "Mitmünchnern". Dieses Wort hat das Planungsreferat erfunden und mit einem Hashtag-Kreuzchen versehen, um die Bürger zu animieren, gemeinsam in die Zukunft zu blicken und sie zu gestalten. "Mitmünchnern. Jetzt ist Zukunft" nennt das Haus von Stadtbaurätin Elisabeth Merk seine gerade eröffnete Ausstellung. Digitalisierung, Mobilität, Klima, sozialer Zusammenhalt - das sind die Oberthemen. Es geht dann um Grüngürtel und Lastenfahrräder, um den neuen Hauptbahnhof und die bundesweit größte Holzbau-Siedlung.

Wer das vergangene Jahrzehnt nicht im Tiefschlaf verbracht hat, dürfte kaum Neues finden in der Ausstellung. Sie bildet ab, was es an sinnvollen und/oder zukunftsweisenden Projekten gibt. Das Online-Video zur Schau wirkt wie ein Werbeclip für eine Stadt, die um Neubürger buhlt. Dabei wären viele Zugezogenen froh, wenn sie sich ein Kinderzimmer leisten könnten, das so groß ist wie das auf dem Boden gelb abgeklebte Rechteck: 12,5 Quadratmeter. So viel Platz braucht ein ruhender Elefant oder ein parkendes Auto. Von letzterem gibt es immer mehr.

Gegenwart und Zukunft werden im Behördenraster präsentiert, was nicht nur am Muster der Bauzäune liegt, an denen die Text- und Fototafeln montiert sind. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Viereck ist eine der wenigen Stellen, an denen die Ausstellung leise provoziert. Ansonsten werden Gegenwart und Zukunft im Behördenraster präsentiert, was nicht nur am Muster der Bauzäune liegt, an denen die Text- und Fototafeln montiert sind. Darauf sind immer wieder Gemeinplätze zu lesen: "Wichtig sind gemischte Quartiere, wo jeder gerne wohnt - egal ob jung oder alt, arm oder reich." Oder: "Sport ist nicht nur gesund, sondern auch für Integration und sozialen Austausch wichtig." Mal lässt sich die Verwaltung auf die Schulter klopfen, etwa von einer Schulrektorin: "Nur zwei Jahre hat es gedauert, bis unsere Grundschule am Bauhausplatz in Schwabing-Freimann fertig war." Mal lobt sich das Rathaus einfach selbst: "In Deutschland gibt keine andere Großstadt so viel Geld für den Ausbau von Kindertageseinrichtungen aus wie München."

An einem Zaun hängt eine Fotosimulation der temporären Fassade, die das Deutsche Museum während des Umbaus aufhübschen soll. Dieter Reiter schaut sich das an, dann schlägt er seiner Stadtbaurätin vor, die Besucher doch abstimmen zu lassen, ob ihnen diese Wand an der Isar gefällt. Oha. Merk wittert ein subversives Unterfangen ihres Chefs. Was will er damit sagen? "Mir g'fällt's nicht." Dann lässt Reiter sich erklären, dass die Fassade so smart sein werde, dass sie die Isarwellen spiegle. Aha, wenn das so ist. Da grinst der OB und stellt in Aussicht, dass es ihm dann wohl doch gefallen werde.

Andere Metropolen sind bei einigen Themen viel weiter – aber darauf liegt nicht der Fokus. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Ausstellung wirkt bisweilen, als wäre sie der gemeinsame Nenner der Wahlprogramme von Grünen, Roten und Schwarzen für eine Stadt, die so gerne spitze sein will: "München soll bei der Entwicklung von Smart-City-Lösungen weltweit führend werden." Manchmal könnte man sich an ein Märchenbuch erinnert fühlen: "München ist eine Radl-Stadt", steht da. Tatsächlich? Wie weit München ist, verrät eine Frage, die der städtische Radverkehrsbeauftragte auf einer Tafel den Besuchern stellt: "Haben Sie schon von Radschnellverbindungen gehört?" Während in anderen Städten die Leute auf solchen Trassen längst radeln, ist München stolz, mit der Planung des ersten Schnellweges begonnen zu haben, gen Garching.

Der letzte Bauzaun verkündet, dass München begonnen habe, "Leben zurück auf die Straße zu holen". Was in Stockholm normal sei, habe man 2019 getestet: "Summer Streets". Auf dem Giesinger Alpenplatz hat man "für zwei Monate Sitzmöbel aufgestellt". Und im Westend wurden acht Parkbuchten umfunktioniert, "zu kleinen, grünen Oasen". München mag sich.

"#mitmünchnern. Jetzt ist Zukunft." Zu sehen bis 5. März in der Rathausgalerie, mit Begleitprogramm, geöffnet täglich von 11 bis 19 Uhr, Eintritt frei.

© SZ vom 13.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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