Außer Betrieb:Keiner kommt an

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Fünf Soldaten statt 2500 Flüchtlingen: Der "Warteraum Erding" ist stillgelegt worden

Von Florian Tempel, Erding

"Warteraum Asyl", so heißt das riesige Flüchtlingscamp am Fliegerhorst Erding, das im Herbst vergangenen Jahres in aller Eile und mit Millionenaufwand aufgebaut wurde. Doch das Warten hat längst ein Ende. Seit mehr als zwei Monaten, seit die Balkanroute dicht ist, ist kein einziger Flüchtling mehr in Erding angekommen. Die Kapazität des Camps ist eigentlich auf 2500 Flüchtlinge angelegt. Von der Eröffnung am 18. Oktober vergangenen Jahres bis Ende Februar waren 100 000 Asylsuchende hier. Sie wurden in Bussen direkt von der österreichisch-bayerischen Grenze nach Erding gebracht. Dort sollten sie nur kurz bleiben für die Erstregistrierung und eine humanitäre Erstversorgung. Wenige Flüchtlinge blieben länger als 24 Stunden, bevor sie in andere Einrichtung weiterverteilt wurden oder auf eigene Faust weiterzogen.

Seit wenigen Tagen ist das Camp "reaktivierbar stillgelegt", so lautet die offizielle Sprachregelung aus dem Bundesinnenministerium. Binnen 72 Stunden könnte es wieder in Betrieb genommen werden. Ob es dazu aber noch einmal kommen wird, ist sehr ungewiss. Im Innenministerium denkt man auch über die komplette Auflösung der Einrichtung nach. Wenn sich die Situation in den kommenden Monaten nicht grundlegend ändert, wird der Warteraum Erding wieder dicht gemacht. In der Nähe von Straubing gibt es eine weitere Einrichtung in ähnlicher Größe, in Bamberg ein neues Ankunftszentrum. Das sollte reichen.

Als sich im September 2015 die Lage an der österreichisch-bayerischen Grenze zuspitzte, rückten Hunderte ehrenamtliche Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) und Hunderte Bundeswehrsoldaten in Erding an und arbeiteten fast rund um die Uhr: 18 alte Tornado-Unterstände aus Beton wurden zu Notquartieren umgebaut. Dazu stellte man zehn große, weiß-blaue Volksfestzelte auf. Innen wurden Abteile aus Holz mit je sechs Stockbetten eingerichtet. Dutzende Sanitär- und Bürocontainer wurden aufgestellt, Hunderte Meter Wasser- und Elektroleitungen verlegt, Straßen und Wege planiert und geteert sowie 3500 Meter Maschendrahtzaun aufgestellt. Es war eine logistische Großanstrengung. Allein der Aufbau des kilometerlangen Drahtzauns, der das Camp vom militärisch genutzten Teil des Fliegerhorstes abtrennt, dauerte Wochen. So viele Zaunpfosten gab es nicht zu kaufen, ein großer Teil wurde eigens in Bundeswehrwerkstätten hergestellt. Das Rote Kreuz, dass die Versorgung der Flüchtlinge übernahm, ließ Feldbetten aus Kanada einfliegen, da die eigenen Ressourcen erschöpft waren. Dutzende Landkreisbürger gründeten einen Hilfsverein, um die Asylsuchenden zu betreuen. Die Minister de Maizière, von der Leyen und Altmaier kamen aus Berlin zu Besuchen nach Erding, um allen Mitarbeitern für ihren tatkräftigen Einsatz zu danken. Es war immer was los.

Und nun: Bis vor Kurzem wurde der Warteraum weiter umgebaut, Zelte wurden durch standfestere Leichtbauhallen ersetzt. Doch wozu? Die 180 abkommandierte Soldaten, die in vier Schichten rund um die Uhr eigentlich Flüchtlinge registrieren sollten, sind auf nur noch fünf Mann reduziert worden.

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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