Ausschläge im Umland:"Ein gutes Pflaster für uns"

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Zwei Gemeinden, zwei extreme Ergebnisse für AfD und FDP

Grünwald/Moosinning - FDP und AfD haben im Münchner Umland besonders viele Stimmen geholt - allerdings mit großen regionalen Unterschieden. In den Landkreisen München, Starnberg und Ebersberg kamen die Liberalen auf Platz zwei hinter der CSU, in Erding, Freising und Bad Tölz-Wolfratshausen die AfD. Zwei Gemeinden stechen dabei heraus: Nirgends schnitt die FDP besser ab als in Grünwald mit 27 Prozent, in Moosinning holte die AfD mit 17 Prozent ihr bestes Ergebnis. Wie lassen sich diese krassen Unterschiede erklären?

Moosinning: 17 Prozent für die AfD

Unbegreiflich, schockierend, irritierend: Der Moosinninger SPD-Ortsvorsitzende Georg Nagler kann sich am Tag nach der Wahl noch keinen Reim auf das Ergebnis der AfD in seiner Gemeinde machen. "Die Menschen fühlen sich bei der Flüchtlingspolitik alleine gelassen von den sogenannten großen Parteien", sagt Nagler. Doch das alleine könne keine Erklärung sein. Denn alleine gelassen von der großen Politik, das fühlten sich die Menschen ja in ganz Deutschland. Es gebe kein spezielles Moosinninger Problem in der Flüchtlingspolitik: Etwas mehr als 20 Asylbewerber leben laut Nagler in der 6000 Einwohner zählenden Gemeinde nordöstlich von München. "Und es gab noch nie Probleme."

Moosinning ist eine der wenigen Gemeinden im Landkreis Erding, die sogar mal einen SPD-Bürgermeister hatte: Rudi Ways übernahm das Amt im Jahr 1996 von seinem Bruder Georg, der bei der CSU war, und übte es acht Jahre lang aus. Eine rote Hochburg sei Moosinning deswegen aber noch lange nicht, sagt Nagler. "Rudi Ways hat profitiert von seiner Persönlichkeit. Er war immer sehr gut vernetzt." Und das ist er heute noch als VdK-Kreisvorsitzender.

Wie überall im Münchner Speckgürtel erlebt auch Moosinning ein starkes Bevölkerungswachstum. "Hier ziehen Leute her, die sich München nicht leisten können oder wollen", sagt Nagler. Und die am besten auch über ein Auto verfügen. Mobil zu sein, das ist wichtig in Moosinning. Man ist zwar auf dem Land, doch die große Stadt München ist nah, die Kreisstadt Erding noch näher. Eine ruhige Gemeinde mit vermeintlich geringem Protestwählerpotenzial - so dachte man.

Grünwald: 27,5 Prozent für die FDP

Der Ortsvorsitzende der FDP in Grünwald, Michael Ritz, konnte seinen Stolz auf der Wahlparty der Liberalen am Sonntagabend im Hofbräukeller kaum verbergen. 27,5 Prozent der Zweitstimmen hatte die FDP in seiner Heimatgemeinde geholt, ein Spitzenwert in Bayern, selbst bundesweit gibt es nur wenig vergleichbare Werte. Auch bei den Nachbarn in Pullach ist der Ausschlag des gelben Balkens mit 24,3 Prozent der Zweitstimmen bemerkenswert. Direktkandidat Jimmy Schulz, Fachmann für IT und Datenschutz, zieht über die Landesliste in den Bundestag ein.

Die hohe Zustimmung für die Liberalen hat im Isartal Tradition. "Wenn man ehrlich ist, wir sind natürlich ein gutes Pflaster für die FDP", sagt der Pullacher Ortsvorsitzende Alexander Betz. Bei den Bundestagswahlen 2009 erreichte die Partei in Pullach 25,1 Prozent, in Grünwald sogar 30,7 Prozent der Zweitstimmen. Selbst 2013, als die Liberalen unsanft aus dem Bundesparlament fielen, unterstützten sie in Grünwald noch 19,5 Prozent der Wähler, in Pullach 15,5 Prozent. Überrascht sind die Liberalen nicht wirklich: "Man sagt uns Wirtschaftsfinanzkompetenz nach", formuliert es Michael Ritz - ein Thema, das in einer Kommune wie Grünwald, die zu den reichsten Deutschlands zählt und in diesem Jahr allein mit einem Gebwerbesteuereinkommen von 160 Millionen Euro rechnet, durchaus für viele wichtig ist.

Das sei jedoch nicht der einzige Grund für den Erfolg. "Wir machen in Grünwald immer einen sehr aktiven Wahlkampf", sagt Ritz, "anders als die anderen Parteien." Außerdem zeigten die FDP-Ortsverbände auch in der Kommunalpolitik Präsenz, sie sind in Pullach mit drei, in Grünwald mit zwei Mandatsträgern im Gemeinderat vertreten. Diese starke Oppositionsrolle bei kommunalen Themen werde von den Wählern sehr wohl gesehen, ist der Kreisvorsitzende München-Land, Ralph Peter Rauchfuss, überzeugt. Trotz des sichtbaren Nord-Süd-Gefälles seiner Partei rund um München betont Rauchfuss: "Wir wollen eine Partei für alle Bürger sein und alle Bürger mit unseren Themen ansprechen." Mit dem Fokus auf das Thema Bildung und Chancengleichheit sei das im Wahlkampf durchaus gelungen, findet er.

Dass die FDP auch bundesweit so gut abgeschnitten hat, betrachtet der Pullacher Ortsvorsitzende Betz durchaus mit Respekt. Diese Werte brächten hohe Erwartungen mit sich, die nun erfüllt werden müssten. Für mögliche Koalitionsverhandlungen mit den Grünen hat der Kommunalpolitiker einen Rat aus eigener Erfahrung. "Hart in der Sache, aber freundlich im Ton" solle man miteinander umgehen. Und falls die Differenzen zu groß sind, die Koalition lieber bleiben lassen.

© SZ vom 26.09.2017 / GNA - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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