Ausgehen!:Blubbernde Wasserpfeifen und Kaffee mit Kardamom

Lesezeit: 4 min

Der Orient kommt in München ziemlich gut an - das besondere Flair der Lokale lässt die Besucher schnell den Alltag vergessen.

Astrid Becker

"Herrlich ist der Orient", befand Johann Wolfgang von Goethe in seinem "Westöstlichen Diwan". Die Sehnsucht des Altmeisters nach einer fernen, exotischen Welt, nach einem Schlaraffenland, das vor Sinnesfreuden nur so strotzt, scheint nun, Jahrhunderte später, auch München zu erfassen. Wie wäre es sonst zu erklären, dass die Menschen in dieser Stadt mit ihren rund 5000 Lokalen mehr und mehr dem Charme blubbernder Wasserpfeifen und würziger Speisen erliegen?

Reise in die Märchenwelt - "Padisha". (Foto: Foto: ahed)

Schauplatz dieser Genüsse könnte beispielsweise die Schwanthalerstraße werden - eine Straße, die wegen ihrer vielen Döner-Kebab-Imbissläden seit langem fälschlicherweise für türkische und arabische Lebensart steht. Das könnte sich nun ändern. Denn direkt gegenüber vom Deutschen Theater ist ein Kleinod entstanden: das osmanische Restaurant "Padisha".

Gleicht das Erdgeschoss in seiner Kahlheit den hier üblichen Schnellrestaurants, offenbart sich im ersten Stock eine andere Welt. Der Blick fällt auf echte Amphoren, schön gedeckte Tische und auf ein kleines antikes Tempelchen, das den Raum ziert. Über einen Nebenraum mit alten Holzbalken gelangt der Gast in eine Art Separee mit seidig glänzenden bunten Kissen, einem Diwan, der zum Kuscheln einlädt, einem offenen Kamin und edlen türkischen Teppichen.

Erzählungen aus der Speisekarte

Eine fertige Speisekarte gibt es noch nicht, was aber nicht weiter stört, denn Inhaber Emsal Kekec und sein Restaurantleiter Dede Erfugrul erzählen den Gästen alles, was es über osmanische Lebensart und deren Kulinarik zu wissen gibt.

Ein wenig klingt das dann wie ein Märchen aus 1001 Nacht, wenn sie zum Beispiel vom Herzstück dieser Küche berichten, von einem speziellen Holzofen, dessen Bauweise sich seit dem 16. Jahrhundert nicht verändert hat und dessen Boden die Hitze eineinhalb Wochen speichern kann. "Wir hatten so einen bei uns zu Hause, die ganze Verwandtschaft kam regelmäßig, um darin Brot zu backen", sagt Emsal Kekec. Deshalb hat er einen solchen nun selbst für sein Restaurant gebaut.

Alle Gerichte, zum Beispiel ein köstlich saftiges ganzes Lamm, werden darin unter einem selbst gemachten Teigdeckelchen gegart. "So etwas gibt es in der ganzen Stadt noch nicht, vielleicht sind deshalb die Menschen so neugierig auf uns." Das sind sie tatsächlich - denn obwohl das Restaurant erst seit kurzem geöffnet ist, ist es ohne Reservierung schwierig, einen Platz zu bekommen.

Von Europa in den Orient - zeitlos

Sinneslust in der "Samara Oriental Lounge". (Foto: Foto: ahed)

Ähnlich gut läuft auch das "Mocca" in der Herzogstraße, das im Sommer eröffnet wurde. Ein Lokal, das unten auf internationale Küche setzt und sich oben in das Allerheiligste der Märchenprinzessin Scheherezade zu verwandeln scheint. Die Wände sind mit hellen Stoffen verkleidet, die Decken baldachinartig mit goldgelben Tüchern verhüllt. Mehrere verschieden gestaltete Separees mit orientalisch gemusterten Sofas, niedrigen Mahagoni-Tischchen und im maurischen Stil geformten Fenstern laden zum intimen Ratsch oder zum Wasserpfeife-Schmauchen mit Freunden ein - weit weg vom Leben da draußen in der Stadt.

"Die Leute, die zu uns kommen, betreten eine andere Welt, reisen von unten, von Europa, nach oben in den Orient, sie wollen den Alltag vergessen, ihre Probleme an der Tür abgeben", sagt Geschäftsführer Hasan Yilmaz. Die Idee für die chillig-orientalische Lounge stamme aus Berlin, "dort ist Orient schon länger angesagt".

Auf der Speisekarte des München-Ablegers stehen libanesisch-marokkanische Spezialitäten wie Tabbouleh - ein Salat aus Bulgur und Petersilie -, das Kirchererbsenpüree Humus oder auch die Mocca Grillplatte: verschiedene Kebab-Spieße mit Fladenbrot oder mit Blattspinat und Schafskäse gefüllte Calamari, serviert mit einer Koriander-Limettensauce.

Die Preise für die Köstlichkeiten sind für Lage und Ambiente verträglich: zwischen sieben, acht Euro für eine Vorspeise bis 17 Euro für eine Hauptspeise. Geöffnet hat das untere Geschoss des Mocca von 9 Uhr an, der erste Stock immer erst ab 17 Uhr bis ein Uhr, am Wochenende bis drei Uhr. Auch hier gilt: Reservieren und Zeit mitbringen: "Bei uns merken die Leute gar nicht, wie die Stunden vergehen."

Alltag und restliche Abendplanung vergessen

Mit "Trend" hat die Entstehungsgeschichte des vor zwei Wochen in der Bruderstraße eröffneten "Samara Oriental" dagegen so gar nichts zu tun, sondern mit der Liebe. Sylvia Schäfer, die Inhaberin, verliebte sich vor dreieinhalb Jahren bei einem Urlaub am Roten Meer in den Agrarwissenschaftler und Küchenchef Nagy Sayed. Es war eine heimliche Liebe auf Distanz, in der beide Partner laufend nach Wegen suchten, irgendwann einmal zusammen leben und arbeiten zu können.

Ihr neues Lounge-Restaurant ist nun "ihr Baby", wie sie sagen. Dass sie damit den Zeitgeist treffen würden, wurde beiden erst später klar: "Ich dachte zunächst nur daran, dass es hier in München zwar viele libanesische Lokale gibt, aber kein ägyptisches, und diese Küche ist so gut", sagt Schäfer. Diese Küche - das sind nicht zu scharfe, aber würzige, immer frisch zubereitete leichte Speisen, in denen Kardamom, Pfeffer und Muskat nicht fehlen dürfen.

Serviert werden die Speisen, wie gefüllte Wachtel oder ägyptische Kohlröllchen mit Zucchini oder gelbe Linsensuppe mit Zitronenspalten, im Erdgeschoss, einem Raum, der zeitlose Moderne mit orientalischem Chic paart. Ausgesucht edel-bunte Seidenkissen versus elegant weiß eingedeckte Tische. Nach dem Essen oder auch einfach nur vor dem Ausgehen sollte man sich ins Kellergewölbe begeben.

Aber Vorsicht: Wer sich hier auf den stilvollen Diwans im Berbermuster niederlässt, den ägyptischen Kaffee mit Kardamon genießt, der vor einem auf den silbernen Tischchen zubereitet wird, läuft Gefahr, die weiteren Abendplanungen zu vergessen. Denn das Ambiente gleicht einer Oase in der Wüste, es ist der Traum von Ruhe und Erholung, verbunden mit der Hoffnung, das Geheimnisvolle des Orients doch mal zu durchschauen. Ob das gelingen kann, weiß auch Schäfer nicht, nur: "Die Menschen sehnen sich danach, den Alltag zu vergessen. Und das geht am besten, wenn sie sich ganz weit davon entfernen."

© SZ vom 10.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: