Ausbeutung von Arbeitern:Hungerlöhne auf städtischen Baustellen

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Türkische Arbeiter sollen von Subunternehmer der Gewofag nur vier Euro pro Stunde erhalten haben.

Bernd Kastner

Auf städtischen Baustellen sollen erneut Arbeiter mit Hungerlöhnen abgespeist worden sein, diesmal bei der Wohnbaugesellschaft Gewofag. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen türkischen Subunternehmer. Die Gewofag will ihre Baustellen künftig schärfer kontrollieren. Man wolle als kommunale AG Vorreiter sein im Kampf gegen Schwarzarbeit.

Auf städtischen Baustellen sollen türkische Arbeiter mit illegalen Dumpinglöhnen bezahlt worden sein. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Nachdem im vergangenen Jahr der Zoll auf einer Altenheim-Baustelle der Münchenstift GmbH illegale Dumpinglöhne aufdeckte, brachten nun die beiden Türken Fikri D., 39, und Selami K., 40, den Fall ins Rollen. D. war nach eigenen Angaben von September 2006 bis Dezember 2007 auf vier Baustellen in München als Maurer und Eisenflechter tätig, darunter zehn Monate lang bei der Gewofag in der Rosenheimer Straße und auf der Theresienhöhe.

Statt der gesetzlich vorgeschriebenen gut acht Euro habe er nicht einmal vier Euro Stundenlohn erhalten. Insgesamt soll er um mehr als 14.000 Euro gebracht worden sein. Bis zu 40 türkische Kollegen sollen auf den Baustellen gearbeitet haben - alle zu Hungerlöhnen. Nur D. und K. wohnen noch in München und versuchen nun, zu ihrem Recht zu kommen: Sie haben vor dem Arbeitsgericht ihre ehemalige türkische Firma verklagt.

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Bayreuth gegen diese Firma mit Sitz in Nordbayern. Sie hatte die türkischen Arbeiter mit Werkverträgen nach Deutschland geholt. In beiden Fällen hatte die Gewofag deutsche Firmen mit den Bauarbeiten beauftragt, diese hatten wiederum den türkischen Subunternehmer angeheuert. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zoll in Bamberg bestätigte, dass die Gewofag-Baustellen Teil der Ermittlungen seien, nähere Angaben machten aber weder Zoll noch Staatsanwaltschaft.

Gewofag-Chefin Gordona Sommer betonte, dass man beide deutsche Baufirmen eine Tariftreueerklärung habe unterzeichnen lassen, die auch für deren Subunternehmer gelte. Damit habe die Gewofag ihre gesetzliche Pflicht erfüllt. Dennoch wolle sie den aktuellen Fall zum Anlass nehmen, künftig eine Vertragsklausel einzuführen, wie sie das Baureferat entwickelt hat. Diese sieht Vertragsstrafen bei Dumpinglöhnen vor. Darüber hinaus wolle man künftig Baustellen stärker kontrollieren. Man sehe sich als öffentliches Unternehmen in besonderer Weise dem Kampf gegen Lohndumping verpflichtet, könne aber nicht zu einer zweiten Zoll-Truppe werden.

Der türkische Subunternehmer hat bislang jede Verfehlung abgestritten. Auch die deutschen Firmen mit Sitz in Rosenheim und Unterhaching sehen keine Schuld bei sich. Man verpflichte Subunternehmer vertraglich immer zu rechtstreuem Verhalten, lässt die Rosenheimer Firma wissen. "Alles Lüge", sagt der Seniorchef der Rosenheimer Firma. "Man sollte sie sofort abschieben", schimpft er auf die türkischen Arbeiter, die aus seiner Sicht die Unwahrheit verbreiten.

Das mutmaßliche Lohndumping auf Gewofag -Baustellen fällt in eine Zeit, da die Fahnder der Münchner FKS verstärkt deutsche Auftraggeber in die Pflicht nehmen wollen. Münchens FKS-Chef René Matschke äußerte sich zwar nicht zum aktuellen Fall, doch generell gelte: Wenn der Bauherr von den Hungerlöhnen wisse oder wissen könnte, so sei auch er in der Verantwortung.

"Dieser Nachweis der Verantwortlichkeit ist für uns als Ermittler aber sehr schwierig", so Matschke. Alle deutschen Auftraggeber, egal ob privat oder öffentlich, seien gefordert, stärker gegen illegale Praktiken vorzugehen. Die Tariftreueerklärung allein sei oft nicht wirklich effektiv.

© SZ vom 16.05.2008/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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