Auftakt Peter-Prozess:"Dann habe ich ihn festgehalten, bis er tot war"

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Im Prozess um den Mord an dem neun Jahre alten Peter A. schildert der Angeklagte Martin P. die Tat ohne Emotionen - die Eltern hatten keinen Verdacht geschöpft.

Stephan Handel

Am ersten Tag des Prozesses gegen Martin P. hat der Angeklagte ein Geständnis abgelegt: Er gab zu, im Februar den neunjährigen Peter A. in seine Unterkunft in Trudering gelockt, sich an dem Buben vergangen und ihn danach mit einer Plastiktüte erstickt zu haben. Über die Anklage hinaus gestand P., die Entführung und die Tötung auch von anderen Kindern geplant zu haben.

Der neunjährige Peter A. aus München. (Foto: Foto: dpa)

Über mehrere quälend lange Stunden berichtete der 29-jährige Martin P. im Schwurgerichtssaal über die Tat und ihre Vorgeschichte: Mit 15, 16 Jahren habe er bemerkt, "dass ich mehr auf Jungs steh". Allerdings war er ein Einzelgänger - deshalb sei er in seiner Ministrantengruppe "mit den Jüngeren besser zurecht gekommen". Im Alter von 16 Jahren habe er sich in einem Schwimmbad an einem achtjährigen Buben vergangen - "meine erste Straftat". Im Jahr 1995 wurde Martin P. verurteilt: Er hatte in Regensburg einen elfjährigen Ministranten-Freund missbraucht und mit 70 Messerstichen getötet. Neuneinhalb Jahre saß er für diese Tat in Haft.

Vater im Gefängnis kennen gelernt

Im Gefängnis lernte er Peter A.s Vater kennen. Nach der Entlassung nahm er Kontakt zur Familie auf und befreundete sich auch mit der Mutter. Die überließ ihm ihre Kinder zur Aufsicht - von seinen Straftaten und von seinen Neigungen wusste sie zunächst nichts; der Vater wusste alles, sagte aber nichts.

Allerdings: Es sei seine "alleinige Verantwortung, dass der Peter tot ist", sagte der Angeklagte. "Die Eltern konnten in keinster Weise etwas dafür". Nach einiger Zeit seien die Gewalt- und die Tötungsphantasien wiedergekommen, er habe sich die Taten in allen Einzelheiten ausgemalt: "Es sollte mit Zärtlichkeiten beginnen und mit Gewalt enden." Er habe auch daran gedacht, sich eines fremden Kindes zu bemächtigen. Dann aber sei immer mehr Peter in sein Blickfeld geraten: "Ich hab den Peter echt gern gehabt. Erst später hatte ich keine Gefühle mehr für ihn.

Martin P. erzählt sein Leben, seine Tat, die Grausamkeiten mit ruhiger, emotionsloser, etwas gestelzter Sprache: "Ich habe an seinem Geschlechtsteil manipuliert." Auf die Frage, warum er Peter denn töten musste, sagt er: "Die Tötung hat mich zusätzlich erregt" - kein Versuch also, plötzlich aufkommende Panik für die Tat verantwortlich zu machen, das klare Geständnis, den Jungen von vornherein nicht nur missbrauchen, sondern auch töten zu wollen. Es ist still im voll besetzen Gerichtssaal, nur einer Zuschauerin entfährt ein "Oh mein Gott."

Einr Minute lang gewürgt

Detailliert, aber immer noch ohne jede Gefühlsregung schildert Martin P. die Ereignisse am Tattag: Wie er Peter von der Schule abholte und ihn zu sich nach Hause lockte, unter dem Vorwand, von der Mutter beauftragt zu sein. Wie er dort begann, den Buben zu streicheln. Als der sich wehrte, habe er gesagt: "Er kanns über sich ergehen lassen - oder es wird länger dauern." Und später, als Peter weinte: "Wenn er nicht ruhig ist, werde ich ihm weh tun."

Dann der erste Tötungsversuch durch Erwürgen - "nach circa einer Minute" sei ihm jedoch die Kraft ausgegangen: "Peter hat sich aufgerichtet und hat geweint. Dann hat er mich umarmt." Er habe Peter gesagt, er werde ihn jetzt nach Hause bringen. Dazu müsse er ihm aber eine Tüte über den Kopf ziehen, damit der Junge nicht verraten könne, wo er wohne. Peters einzige Sorge: "Die Leute werden über mich lachen, wenn ich mit der Tüte auf dem Kopf auf die Straße gehe. Doch schließlich habe er sich überreden lassen. Die Tüte war aus Plastik, und Martin P. band sie am Hals mit einer Schnur zu. "Dann habe ich ihn festgehalten, bis er tot war."

Er versteckte die Leiche im Schrank, gab bei den Eltern vor, er würde sich an der Suche nach Peter beteiligen, ging wieder nach Hause und holte den Körper aus seinem Versteck: "Dann habe ich mich an der Leiche vergangen." Anschließend verpackt er sie in zwei Müllsäcke und wirft sie in einen Müllcontainer. Am nächsten Tag schon wird er von der Polizei vernommen, schließlich gesteht er: "Ich wollte es den Eltern nicht mehr weiter antun - das waren die Gründe, warum ich die Tat dann eingestanden habe."

Mutter hatte Vertrauen zum Mörder

Am Nachmittag sagen Peters Eltern als Zeuge aus. Die Mutter, Irmgard A., 32: Ja, Martin P. sei immer sehr hilfsbereit gewesen, sie habe Vertrauen zu ihm gehabt. Nein, von seiner Tat habe sie nichts gewusst - bis dieser Brief kam, in dem die Behörde darauf hinwies, dass Martin P. keinen Kontakt zu Kindern haben dürfe: Da habe er ihr erzählt "aber auch nicht alles".

Der Vater, Willi D., 43, Maler und Lackierer, sitzt zur Zeit wieder im Gefängnis - er war wegen sexueller Nötigung verurteilt und auf Bewährung entlassen worden. Dann hatte er jedoch gegen die Auflagen verstoßen und musste wieder in Haft, weswegen er von Justizbeamten zu seiner Zeugenvernehmung vorgeführt wurde. Seine Aussage: Er habe Martin P. eine Chance geben wollen. Nein, er habe ihn nicht im Verdacht gehabt, als Peter verschwand. Und: Er habe ein Gespräch geplant gehabt, habe ihm sagen wollen, dass er nicht mehr zu kommen brauche, wenn er nicht endlich in seiner Therapie vorankomme. An einem Freitag oder Samstag wollte er mit ihm reden. Am Donnerstag hat Martin P. Peter getötet.

© SZ vom 15.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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