Auf Wahl-Fang:Mit Sigmars Segen

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Vor dem Anzapfen war er schon wieder weg: Sigmar Gabriel mit Münchens SPD-Chefin Claudia Tausend. (Foto: SPD)

Wie die Münchner Bundestagskandidaten um Stimmen werben - Heute: Der hohe Besuch

Von Dominik Hutter

Nichts gegen amtierende Bundestagsabgeordnete der SPD. Aber die schwarze Limousinen-Kolonne mit Blaulicht und Berliner Kennzeichen ist nicht unterwegs, um Florian Post oder Claudia Tausend herumzukutschieren. Es ist der Außenminister, der da am Donnerstag von der Arnulfstraße her auf den Parkplatz des Augustinerkellers einbiegt. Post und Tausend stehen, flankiert von Alt-OB Christian Ude und dem München-West-Kandidaten Bernhard Goodwin, als Empfangskomitee am Haupteingang und müssen erst einmal warten, bis Sigmar Gabriel im Auto fertig telefoniert hat. Dann steigt er aus, Personenschützer mit Ohrenstöpseln sichern die Auffahrt. Händeschütteln. Hallo, welch Freude! Und das sind übrigens der Wirt und seine Frau, merkt Post noch an. Gabriel reagiert mit einem bürgerlich-bayerischen Spruch: Aha, die Chefin.

Es zählt zu den vornehmsten Gepflogenheiten von Wahlkämpfern, hohen Besuch zu empfangen. Sozusagen als Beweis, welch illustren Personen der Name des örtlichen Kandidaten ein Begriff ist. Und in welcher Gesellschaft man sich bewegen wird, falls man denn gewählt wird. Auf dem Truderinger Festplatz, im Wahlkreis des CSU-Politikers Wolfgang Stefinger, waren schon die Bundeskanzlerin und Bayerns Ministerpräsident zu Gast, CSU-West-Kollege Stephan Pilsinger hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und CDU-Finanzstaatssekretär Jens Spahn bei sich. Auch Gloria von Thurn und Taxis war schon einmal bei Pilsinger, aber das läuft wohl eher in einer anderen Kategorie. Münchens SPD-Chefin Tausend, gerade erst Mitgastgeberin für Sigmar Gabriel, empfängt am Sonntag die Bundesarbeits- und -sozialministerin Andrea Nahles beim Jazzfrühschoppen in Bogenhausen, die Grünen freuen sich am 1. September auf ihren Parteichef Cem Özdemir. Wahlkämpfe lösen stets eine rege Reisetätigkeit der parteipolitischen Bundesprominenz aus. Was vermutlich ein Segen für die Luftfahrt ist - und eine schwere Bürde für Parteien, denen bekanntere Namen fehlen. Die sind schon froh, wenn sich irgendein Experte zum Fachvortrag bequemt.

Der Außenminister zählt zweifellos zur ersten Garde der hohen Besucher, auch wenn Gabriel anfangs ein wenig gedankenverloren neben dem Masten einer Markise sitzt und an einem Radieschen knabbert. Möglich, dass er noch über das Treffen mit dem libyschen Außenminister nachdenken muss, das unmittelbar zuvor bei Siemens stattgefunden hat und das den Verkauf deutscher Kraftwerkstechnik zur Folge hatte. Dann aber erfreut er sein überwiegend aus Genossen bestehendes Publikum mit fulminanten, gleichzeitig volksnah wie geschliffen formulierten Ausführungen über das Verhältnis Deutschlands zu den USA, den europäischen Partnern sowie der Türkei. Als Fragesteller tritt Posts Wahlkampfhelfer Ude auf, dem Gabriel als "erfolgreichsten OB Deutschlands" schmeichelt. Später darf der in einen Trachtenjanker gewandete Post auch noch ein Bierfass anzapfen. Da ist die Gabriel-Kolonne aber schon weiter. Es ist schließlich Wahlkampf.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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