Auf dem Corso Leopold:Kiffen erlaubt

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Cannabispatienten beklagen Schikane durch Polizisten

Von Jasmin Siebert

Franz Wolf ist wütend. Als er sich am Samstag auf dem Corso Leopold am Stand des Cannabisverbands Bayern einen Joint anzündete, standen plötzlich Polizisten hinter ihm. Ob er wisse, dass das verboten sei. Er kiffe legal, sagte der 5o-Jährige und legte die Kopie eines Betäubungsmittelrezepts sowie ein Schreiben seines Arztes vor, wonach er Cannabispatient ist. Doch die Beamten zweifelten an der Echtheit des Rezepts und beschlagnahmten den Joint. "Ich krieg mein Cannabis aus der Apotheke und die Polizei nimmt es mir weg", sagt Wolf drei Tage später aufgebracht.

Infolge sexuellen Missbrauchs als Knabe leitet Wolf unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dazu kommen chronische Schmerzen nach mehreren Verkehrsunfällen. Vor zwei Jahren bekam er eine Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle, damals als nur einer von rund 1000 Patienten deutschlandweit. Seitdem darf er legal kiffen. Mit der Gesetzesänderung vom März dieses Jahres, nach der jeder Arzt Cannabis per Betäubungsmittelrezept verschreiben darf, ist die Zahl der Cannabispatienten massiv angestiegen - auf etwa 16 000 deutschlandweit, schätzt Wenzel Vaclav Cerveny vom Cannabisverband Bayern. Die Krankenkassen wurden verpflichtet, die Kosten für medizinisches Cannabis zu übernehmen. Seit März finanziert die AOK Wolfs Tagesdosis von fünf Gramm. Doch nicht alle Polizisten wissen um die geänderte Rechtslage. Die Beamten durchsuchten Wolf an der Münchner Freiheit und wollten auch seine 15 vorgedrehten Joints mitnehmen. Nach einigem Hin und Her bekam Wolf seine Medizin zurück, auch hat der Vorfall keine strafrechtlichen Konsequenzen. Die Polizisten wünschten ihm sogar "gute Besserung". Innerlich aufgewühlt ist er aber immer noch. Er habe Angst vor Polizisten und während der Durchsuchung am Körper gezittert. Er hatte gedacht, das Rezept schütze ihn, stattdessen musste er sich gegen den Verdacht wehren, dass es gefälscht sei.

Ähnlich erging es zwei anderen Patienten, die drei Wochen zuvor auf einer Wiese nahe der Bayerischen Staatskanzlei ihre Medizin einnahmen. Zwei Polizisten rochen den Hanf und nahmen die Patienten mit auf die Wache. "Auf der ganzen Wache hatte niemand Ahnung", sagt Ben P. Das Cannabis, das der 24-Jährige wegen einer ADHS-Diagnose erhält, hatte er in einer Originaldose aus der Apotheke dabei, das Rezept war als Foto auf dem Handy gespeichert. Dennoch blieben die Beamten dabei: Es müsse eine Fälschung sein und die Kiffer bräuchten einen Berechtigungsschein.

Cerveny vom Cannabisverband fordert eine bessere Polizeiaufklärung. Er bietet auch an, einen Infoabend für Polizisten zu veranstalten - "damit Patienten nicht mehr wie Junkies behandelt werden."

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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