Anschlag auf Moschee:Keine Spur von Wut und Hass

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Muslime demonstrieren nach dem versuchten Brandanschlag auf die Pasinger Moschee Ruhe und Gelassenheit.

Bernd Kastner

(SZ vom 18.9.2001) - Man erwartet Angst und Aufregung. Aber man trifft das Gegenteil an, Ruhe und Gelassenheit.

Der versuchte Brandanschlag auf die Pasinger Moschee scheint kaum Spuren hinterlassen zu haben. Sichtbare nicht, was wohl einfach Glück war. Weil der Brandsatz vor dem Schaufenster des Ladens im Erdgeschoss nicht explodiert ist, und weil Passanten das Feuer gleich löschen konnten.

Besonnenheit nach Anschlag

Aber selbst die unsichtbaren Spuren, Wut, Hass gar, die solche Anschläge bei den Betroffenen für gewöhnlich hinterlassen - man spürt sie nicht. Und das ist kein Glück, das liegt an der Besonnenheit der muslimischen Gemeindemitglieder.

Günes Onur, 54, sitzt auf dem Boden des Gebetsraumes, über ihm spannt sich die imposante, mit Kalligraphien und Mosaiken bunt verzierte Kuppel der Haci Bayram Moschee.

Ein TV-Team hat hier gerade gedreht. Bedächtig berichtet Onur vom Geschehenen. Ja, räumt der Kulturreferent der Gemeinde ein, "ein komisches Gefühl" hinterlasse der Vorfall schon, man sei wachsamer, vorsichtiger. Aber er will das Ereignis nicht überbewerten.

"Teufelskreis gegenseitiger Verdächtigungen vermeiden"

Auf keinen Fall dürfe man in diesen Teufelskreislauf aus gegenseitigen Verdächtigungen hineingeraten, hier die Deutschen, dort die Muslime. "Verrückte gibt es überall, das kann man nicht verallgemeinern."

Und Safet Tepe, der Erste Vorsitzende von Diynet, des Türkisch Islamischen Kulturvereins, dem die Moschee gehört, zuckt nur die Schultern. Angst? "Wir haben ja niemandem etwas getan." Er brummt das in sich hinein, spricht kein Hochdeutsch. Bayerisch spricht er. "Warum sollten wir Angst haben?" Er hätte wohl auch sagen können: Ja mei.

Würde nicht die Polizei am Nachbartisch sitzen und fragen, wie man die Vorsitzenden notfalls telefonisch erreichen könne - nichts würde auf das Ereignis hinweisen, das viele Münchner, Christen wie Muslime, in Aufregung versetzt hat.

"Warnzeichen"

So werten die Grünen im Stadtrat den Anschlag als "Warnzeichen" und fordern die Einrichtung eines Runden Tisches. "Muslime in München" soll der heißen.

350 Mitglieder zählt die islamische Gemeinde, sie kommen aus Pasing und Umgebung in die stattliche Moschee mit den beiden Minaretten. Das Gebäude, erst vor gut zwei Jahren fertig geworden, ist ein Blickfang in der Planegger Straße, und wahrscheinlich ist es deshalb zum Ziel des Anschlags geworden.

Es beherbergt, neben einer Bibliothek, einem Aufenthaltsraum und Wohnungen, auch einen kleinen Lebensmittelladen. Dort arbeitet Hakan Düzenli, der Laden gehört seinem Vater. "Das kam mir vor wie eine Warnung", sagt der 17-Jährige. Ja, er ist besorgt, wie das alles weitergehen soll.

Und dann greift er die Phrase von der zivilisierten Welt auf, die für viele zum Synonym für die nicht-islamische Welt geworden ist. "Das", sagt er und deutet auf die Scheibe, "das waren angeblich zivilisierte Menschen."

Toleranz und Miteinander soll weiter gedeihen

Günes Onur, der seit 35 Jahren in Deutschland lebt, erinnert lieber an all das Positive in den letzten Jahren, Jahrzehnten. Er erzählt von der alten Frau, die am Tag nach dem versuchten Anschlag vorbeigeschaut hat, sich entschuldigt hat für die Tat, gesagt hat, dass sie, die Muslime, auf keinen Fall ihren Mut verlieren sollen, und dann noch eine großzügige Spende da gelassen hat.

Genau das meint Onur, wenn er vom "Nährboden" in Deutschland, in München spricht. Von einem Boden, auf dem Toleranz und Miteinander gedeihen. Von den vielen Christen, die die Moschee besuchen, den unzähligen Schulklassen, die sich in der Planegger Straße über den Islam aufklären lassen.

"Die Leute wollen das Fremde kennen lernen", sagt er. Weil sie das auch weiterhin tun sollen, wird die Moschee tagsüber auch künftig nicht zugesperrt. "Unsere Moschee steht Ihnen jederzeit für eine Besichtigung offen", steht auf einem Zettel am Eingang. "Wir freuen uns auf Ihren Besuch."

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