Ambitionierte Gründerszene:Jung, ehrgeizig, selten weiblich

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Das Münchner Technologiezentrum bietet jungen Firmen Büroräume, um Fuß zu fassen - auf bis zu 10 000 Quadratmetern. (Foto: Robert Haas)

Die Münchner Start-up-Szene jagt den großen Konkurrenten Berlin. Schon heute entstehen an der Isar vergleichsweise innovative und nachhaltige Unternehmen

Von Melanie Staudinger, München

TerraLoupe hätte den Einsatzkräften in Kathmandu helfen können. Nach dem verheerenden Erdbeben dort im Mai 2015 hätte die Software die noch freien Rettungswege anzeigen können. Ebenso könnte sie etwa die gesamte Solarpanel-Fläche in Bayern automatisch vermessen. Dazu verarbeitet und analysiert sie Geo-Bilddaten und erstellt aus Luftbildaufnahmen virtuelle, dreidimensionale Welten.

TerraLoupe ist ein preisgekröntes Programm: Mit ihm haben 2015 Manuela Rasthofer und Josef Schindler aus München den Münchner Businessplan-Wettbewerb in der Kategorie "beste Geschäftsidee" gewonnen. Besonders innovativ fand die Jury, dass das Höhenmodell "einen zentralen Grundstein für alle kommenden Entwicklungen etwa in den Bereichen Computer Vision und Augmented Reality", also erweiterte Realität, legen könne. Auch die Plätze zwei und drei gingen an Teams aus München, an die Invenox GmbH, die günstigere und bessere Batteriespeicher entwickelt, und an die Adnymics GmbH, die die Umsätze von Online-Shops steigern will.

Die Gründerszene in Bayern und besonders in München ist ambitioniert: Sie will es an die deutsche Spitze schaffen, wo Berlin bislang recht einsam thront. Zuletzt kam es 2014 zum Schlagabtausch zwischen den beiden Szenen. "Mehr als 30 Prozent aller Investorengelder wandern nach Berlin. Die Stadt an der Spree scheint förmlich ein Erfolgsgarant zu sein - oder doch nur eine Hype-Bühne? Das zumindest vermuten einige Start-ups aus der bayerischen Landeshauptstadt", schrieben damals ein paar Münchner Start-ups um Zoltan Elek von Landwärme, einem Unternehmen, das aus Abfällen und nachwachsenden Rohstoffen Biomethan erzeugt, es ins Erdgasnetz einspeist und damit handelt. Die Kritik, auf den Punkt gebracht: In Berlin entstünden Start-ups, die auf den schnellen Ausstieg und damit auf das schnelle Geld aus sind. Münchner Projekte dagegen seien nachhaltig geplant.

Was nach Polemik klingt, hat einen realen und ernsten Hintergrund: Jungunternehmer in München haben keine Wahl, sie müssen überlegter gründen als etwa in Berlin. Die bayerische Hauptstadt ist für Experimente schlicht zu teuer.

Die Münchner Gründerszene ist im Jahr 2015 ausdifferenziert und bietet tatsächlich mehr Neuheiten als die der Hauptstadt. Laut dem deutschen Start-up-Monitor stellen weniger als zehn Prozent aller Münchner Gründer keine Marktneuheit, sondern Bekanntes her. In Berlin sind es fast elf Prozent. Wo die Bayern außerdem vorne liegen: Hier wenden sich mehr neue Unternehmen direkt an Endkunden, erst dann folgen Geschäftskunden. Am meisten schätzen die Start-ups den Zugang zu privaten Investoren, die neben Geld auch Know-How bringen, und die Netzwerke der Stadt. Gut bewerten sie zudem die Versuche der Landesregierung, Start-ups zu unterstützen, und die Nähe zu den Hochschulen sowie zur IT-Industrie.

Die Technische Universität hat erst 2015 ein neues Gründerzentrum eröffnet. Es ist die größte universitäre Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Sie soll dazu beitragen, dass Forschungsergebnisse künftig leichter zu Produkten und damit zu Geld werden. Gründer sollen bei jedem ihrer Schritte professionelle Unterstützung bekommen, von der ersten Idee über den Bau von Prototypen bis hin zum Eintreiben von Fördermitteln und zur Rekrutierung und Beschäftigung eigener Mitarbeiter.

Länger existiert bereits das Münchner Technologiezentrum, kurz MTZ. Gegründet Anfang der Achtzigerjahre, spiegelt es die Start-up-Szene in der Landeshauptstadt wider. Der Automotive-Bereich spiele eine große Rolle, sagt Verwaltungsleiterin Cristina Mann. 2015 lägen Apps im Trend, die etwa den Ladezustand von Elektroautos anzeigten oder vom Auto aus automatisch meldeten, dass man bald zu Hause sei, die Heizung also angehen möge. Auch in der Medizintechnik und der App-Entwicklung seien Gründer engagiert. Nachgelassen habe hingegen die Umwelttechnik. Zu den etablierten Firmen gesellen sich außerdem kaum mehr neue, im Jahr 2015 ist der Boom hier bereits vorbei.

Eine zweite Welle, die Ende der Neunziger entstand, sind Internetshops. Zooplus etwa ist in München gegründet worden und hat überlebt. Viele andere Initiativen dagegen mussten sich dem Druck der Branchenriesen beugen.

An Themen fehlt es in München nicht, auch nicht an Ideen und an Hilfe. Was sich verbessern könnte: Der Anteil an Frauen ist aus Sicht von Experten zu gering. Frauen gründen vorsichtiger, also seltener. Sie brauchen Hilfe - denn schlechte Ideen hätten sie nicht.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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