Alt und krank in Schwabing:Im Schatten der Scheinwerfer

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Martha D. war bekannt in der Filmbranche, jetzt lebt die 80-Jährige in arger Armut

Von Thomas Anlauf, München

Es dauert lange, bis sich die Wohnungstür von Martha D. öffnet. Das Gehen fällt ihr schwer, die zierliche Frau zieht ihr Bein nach. Sie hat einen schweren Wirbelsäulenschaden, dann ist da auch noch die Arthrose im Knie. Dazu kommt gerade noch diese blöde Erkältung und ein Hautausschlag. Das alles macht ihr zu schaffen. Als ob die finanziellen Sorgen nicht schon genug wären, um Martha E. schier zum Verzweifeln zu bringen. In wenigen Wochen wird sie 80 Jahre alt, wie es weitergehen soll, weiß sie nicht.

Seit ihr Mann vor 16 Jahren starb, ist sie ganz auf sich gestellt. Das Paar war viel herumgekommen, ihr Mann war bekannt in der Filmbranche. Einer der besten Freunde der Familie - Martha D. hat einen erwachsenen Sohn, der in den USA lebt - war der Regisseur Helmut Käutner. Man kannte sich in der Branche, doch heute lebt Martha D. zurückgezogen in ihrer Wohnung. Es ist die Scham, kaum noch Geld zum Leben zu haben. Nach außen hin verschleiert sie, dass sie längst verarmt ist.

Neben ihrer kleinen Rente erhält sie seit sieben Jahren zusätzlich etwas Geld vom Sozialreferat. Das alles reicht nicht zum Leben, so hatte sie seit Jahren Studenten zur Untermiete. Bis vor kurzem. Zuletzt zog eine Chinesin ein, die allerdings ihr Zimmer so vermüllte, dass Martha D. seither Hautprobleme hat. Notgedrungen kündigte sie der Frau und schrieb an die Universitätsleitung, aber jetzt fällt auch diese kleine Einnahmequelle weg. Vor wenigen Tagen ging auch noch ihre 30 Jahre alte kleine Stereoanlage kaputt, die Spüle ist verstopft und muss dringend repariert werden. Und der Vermieter will gerade den Dachboden des alten Mietshauses umbauen. Dort stehen noch Möbel aus den Zwanzigerjahren ihrer Schwiegereltern. Wie soll sie das alles bloß wegschaffen?

Martha D. sitzt in ihrer Küche und schenkt Tee ein. "Wenn man in eine solche Situation kommt", sagt sie und stockt. "Was soll man tun?" Wegen ihrer Gehbehinderung ist sie auf ihr altes kleines Auto angewiesen, das ständig kaputt geht. Sie hat auch noch zwei Hunde, die Auslauf brauchen. Die beiden Tiere sind es, die sie immer wieder aufbauen. Mit ihnen fährt sie jeden Tag zwei Mal an den Stadtrand, wo sie sich austoben können. Von der Polizei erwischt werden darf sie bei den Fahrten allerdings nicht: Der TÜV des Autos, das sie sich vor zwei Jahren für 800 Euro gekauft hat, ist im Juli abgelaufen. Die dringend nötigen Reparaturen, um eine neue Plakette zu bekommen, kann sie sich aber nicht leisten. Was sich Martha D. wünschen würde, wäre ein kleines gebrauchtes Auto. Doch kaufen kann sie sich keines mehr.

Freunde oder Verwandte, die ihr helfen könnten, gibt es nicht mehr. Ihren Mann hat sie in seinen letzten Lebensjahren gepflegt, er starb an Leukämie. Jetzt braucht sie selbst Hilfe.

© SZ vom 09.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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