Allianz verklagt Schlagersängerin:Nena unter Drogen - oder wie immer?

Lesezeit: 2 min

Stand die Sängerin unter Alkohol oder Drogen - oder waren die Versicherungsvertreter einfach das falsche Publikum? Der Auftritt der Sängerin ist umstritten und deswegen vor Gericht.

Wolfgang Görl

Es sollte ein Bonbon für rund 500 besonders eifrige Versicherungsvertreter der Allianz werden - das Zuckerl, das ihnen schließlich serviert wurde, schmeckte dann vielen so sauer, dass man sich am Montag vor der 27. Zivilkammer des Landgerichts München I traf.

Die wichtigste Person, die Popsängerin Nena, war freilich nicht zugegen, jedenfalls nicht persönlich; dafür schwebte ihr Geist etwa ebenso penetrant durch den Raum wie die 99 Luftballons in ihrem größten Hit.

Am Ende der Verhandlung war die Luft zwar weitgehend raus, zu einer gütlichen Einigung konnte man sich gleichwohl nicht durchringen. Der Anwalt Nenas sowie die Juristen der Allianz haben jetzt 14 Tage Zeit, um sich über die Frage zu einigen, welchen Betrag die Künstlerin für gemeinnützige Zwecke zahlen solle.

15.000 Euro lautet das aktuelle Angebot Nenas, wohingegen die Allianz auf 20.000 Euro pocht. Sollten die Prozessparteien zu keiner Einigung kommen, bleibt Richter Gerhard Köstler doch nicht erspart, was er eigentlich vermeiden will: ein Urteil fällen.

Der umstrittene Vorfall hatte sich im Spätsommer 2004 zugetragen. In der alten Postkantine sollte Nena bei der Allianz-Vertretergala die versammelten Versicherungsverkäufer mit ihren Songs erfreuen, wofür sie und ihre Band nach Auskunft von Allianz-Anwalt Stefan Beulke rund 100.000 Euro kassierten.

Unbestritten ist, dass mindestens die Hälfte der Gäste während der etwa halbstündigen Show empört die Flucht ergriffen - ob das geschah, weil Nena so auftrat, wie sie immer auftritt, oder ob sie völlig von der Rolle war, lässt sich auch nach der gestrigen Verhandlung nicht mit letzter Sicherheit sagen.

"Seid nicht so steif, ihr Krawattenträger!

Jedenfalls soll sie nach Angaben mehrerer Zeugen wie betrunken auf die Bühne getorkelt sein und ihre Performance mit den Worten eingeleitet haben, wem es nicht gefalle, könne gleich mal gehen.

Wer blieb, sei mit Aufforderungen wie folgende konfrontiert worden: "Seid nicht so steif, ihr Krawattenträger! Singen kann jeder, genauso wie jeder Versicherungen verkaufen kann." Darüber hinaus habe Nena wissen lassen, sie sei auch bei der Allianz versichert gewesen, habe aber inzwischen gekündigt: "Das Geld spar ich mir lieber."

Das fanden die Allianz-Leute nun weniger unterhaltsam, zumal Nena so viel geredet habe, dass die übrige Zeit gerade mal für vier bis fünf Songs reichte, und auch bei diesen sei sie nicht bis zum Ende gekommen. Man muss allerdings hinzufügen, dass einige der Zeugen den Eindruck machten, als seien ihnen gewisse Rituale der Popmusik grundsätzlich fremd.

Eine Allianz-Generalvertreterin äußerte beispielsweise den Verdacht, es seien Drogen oder Alkohol im Spiel gewesen, weil die Musiker minutenlang mit dem Kopf auf- und abwärts gezuckt hätten. Sie demonstrierte den Vorgang, indem sie ihren eigenen Kopf in derselben Weise bewegte, wie das Hühner beim Körnerpicken tun. "Das hält doch kein normaler Mensch so lange aus."

Vor Gericht war die Sache gelangt, nachdem die Allianz die Hälfte der vorab bezahlten Gage vergebens zurückgefordert hatte. Nenas Anwalt Michael Decker wiederum verwies auf den Vertrag, der seiner Mandantin die künstlerische Gestaltungsfreiheit zusicherte, und im Übrigen meinte er sinngemäß: Die Allianz habe Nena gewollt, und sie habe Nena bekommen. Die Dame sei nun mal so, die lasse sich nicht verbiegen.

Bei der Allianz ist man der Auffassung, dass ein Künstler sich nicht alles erlauben dürfe und er sich schon auf das Publikum einstellen müsse, für das er engagiert sei. Eine Grundsatzfrage, um die sich Richter Köstler gerne herumdrücken möchte.

Deshalb sein Vorschlag, Nena möge die Sache mit 20.000 Euro für gemeinnützige Zwecke bereinigen. Generell scheinen die Kontrahenten mit dieser Lösung einverstanden zu sein, um den Betrag wird aber noch gefeilscht.

© SZ vom 3.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: