Agrardebatte:Falsche Haltung, schäbige Manöver

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SZ-Leser verübeln Bauern eine Attacke gegen die Pressefreiheit und fordern wesentlich nachhaltigeres Wirtschaften auf den Feldern

"Der Umgang in der Agrardebatte wird ruppiger" vom 12. November:

Begriffsschwindel

Als Forstmann erlaube ich mir doch mal klarzustellen: Unter Nachhaltigkeit versteht man seit 1713 (verkürzt nach Hans Carl von Carlowitz), dass immer nur so viel Holz genutzt werden darf, wie es auch nachwächst. Das heißt, diese Rohstoffquelle kommt unter Beachtung dieses Prinzips nicht zum Erliegen. Dieser Grundsatz ist im Bundeswaldgesetz und in den Ländergesetzen fest verankert.

Jetzt zu behaupten, sogenannte konventionelle Landwirtschaft sei nachhaltig, erstaunt schon sehr, denn ohne ständigen Input an Kunstdünger und diverse Spritzungen wären Ernten, wie sie heute erzielt werden, auf Grund der Ausbeutung der Böden nicht erreichbar. Die Bio-Landwirtschaft kommt der nachhaltigen Nutzung der Ressource Boden dagegen etwas näher.

Auch die Politik missbraucht den Begriff der Nachhaltigkeit ständig. So ist zum Beispiel ständig von nachhaltiger Mobilität die Rede. Ich habe noch keine nachwachsenden Autos gesehen! Dies ist hier und in vielen Aussagen eine Vergewaltigung des Begriffs Nachhaltigkeit, nur um sich mit dem Mäntelchen einer Umweltfreundlichkeit zu umgeben.

So möchte ich doch darum bitten, Agrarexpertin Christine Schneider vom BR ("Unser Land") nicht zu diskreditieren und schon gar nicht ihre Abberufung von ihrem Posten zu fordern. Ein solcher Angriff auf die Pressefreiheit verbietet sich! Denn die Pressefreiheit brauchen wir - nachhaltig! - im Lande. Prof. Dr. Christian Mettin, Prittlbach

So geht's nicht weiter

Von Anbeginn der Menschheit bereiten Bauern das Fundament für den kulturellen Überbau. Wenn wir heute trotz aller Kulturförderung zum Kulturpessimismus neigen und Dekadenz erkennen, so liegen die Ursachen auch im mangelhaften Fundament. Die ehemals nachhaltige bäuerliche Welt hat sich in die neue Welt der Agrartechnik gewandelt.

Agrartechniker fordern Subventionen und weniger Bürokratie, sie denken nicht mehr in geschlossenen Kreisläufen. Sie kaufen Soja von urwaldgerodeten Flächen Südamerikas, da sie die viel zu vielen Tiere nicht mehr vom eigenen Land ernähren können, sie sind aber nicht bereit, das dadurch anfallende Übermaß an Gülle dorthin zurückzubringen.

Die gemästeten Schlachttiere, die im eigenen Land nicht verwertet werden, transportiert man mit Hilfe der Exportsubventionen im Lkw bis nach Usbekistan. Dankenswerterweise versuchen Amtstierärzte, dies zu verhindern. Wir dürfen nicht so weiterwirtschaften!

Christine Schneider (Journalistin beim Bayerischen Rundfunk, gegen deren kritische Berichterstattung der Bayerische Bauernverband heftige Kritik äußerte, wonach eine verbandsunabhängige Online-Petition die Absetzung der Journalistin verlangte; d. Red.) verdient unser aller Unterstützung.

Heiner Förderreuther, Herrsching

Bauern ruinieren ihr Image

Warum wohl ist das Image der Landwirtschaft so angeschlagen? Landwirte fordern für jegliche Art ihres Tuns und Unterlassens Subventionen. Laut EU-Agrarzahlungsbericht 2018 waren es 326 000 Begünstigte und die Höhe der Subventionen betrug 6,6 Milliarden Euro (www.agrar-fischerei-zahlungen.de). Subventionstöpfe werden aus Steuergeldern gefüllt. Steuerzahler sind Verbraucher, denen von der Landwirtschaft vorgeworfen wird, für ihre Produkte nicht die erforderlichen Preise zu bezahlen. Welcher Unternehmer kann es sich leisten, fortwährend über seine Kundschaft zu jammern, ja sogar zu schimpfen?

Welche Subventionen erhalten zum Beispiel Einzelhändler, die unter dem ständig wachsenden Onlinehandel leiden?

Landwirte überdüngen seit Jahren ihre Felder und verschmutzen das Grundwasser. Es drohen exorbitante EU-Strafen, die dann aus Steuermitteln zu bezahlen sind. Hinzu kommen erhöhte Wasserkosten für die Verbraucher, weil die Reinigung des Grundwassers höheren Aufwand erfordert. Es werden Düngemittel eingesetzt, obwohl man weiß, wie schädlich sie für die Natur und die Gesundheit der Menschen sind.

Zum Protest fahren die Landwirte dann mit ihren riesigen, von der Kfz-Steuer befreiten Traktoren in die Städte. Diese Fahrzeuge sind nur steuerbefreit, wenn sie allein zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden (Paragraf 3 KraftStG)!

Sicher, es gibt auch viele Landwirte, die sich umweltbewusster verhalten als die immer größer werdenden Agrarfabriken. Diese Betriebe sollten mehr und gezielter gefördert werden. Verbraucher können ihren Teil dazu beitragen, indem sie Produkte solcher Betriebe in ihrer Umgebung kaufen und Qualität vor Quantität setzen.

Rainer Rohrer, München

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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