Advent, Advent (20):Kein Stoff für Hollywood

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Jeden Tag im Advent öffnen wir eine Münchner Tür. Heute: Die Asylunterkunft am Flughafen. Ein Besuch im Niemandsland.

Martin Hammer

Hätte Steven Spielbergs "Terminal" in München gespielt, es wäre wohl kein Kassenschlager geworden. Tom Hanks alias Viktor Navorski sitzt in dem Film auf dem New Yorker Flughafen fest, weil sein Pass wegen eines Bürgerkriegs in der Heimat plötzlich ungültig ist. Er lebt innerhalb des Sicherheitsbereichs, sammelt die Münzen aus den Gepäckwagen, findet Freunde unter Airport-Mitarbeitern und verliebt sich in die bildhübsche Stewardess Amelia.

Auf deutschem Boden, aber noch nicht in Deutschland angekommen: Die Unterkunft für Asylbewerber am Flughafen. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Die Münchner Version wäre weniger kinotauglich: Tom Hanks säße eingesperrt in einem Flachbau auf dem Flughafengelände neben den Wartungsgebäuden. Man könnte ihn filmen, wie er in einem kahlen Zimmer liegt und wartet. Das wäre es gewesen. Ende der Handlung.

Weniger Gast, mehr Gefangener

Wer am Münchner Flughafen ohne gültigen Pass ankommt und in Deutschland Asyl sucht, dessen Reise endet - zumindest vorläufig - in einer Unterkunft der Regierung von Oberbayern hinter Maschen- und Stacheldrahtzaun, weniger als Gast, mehr als Gefangener.

1993 wurde das Flughafenverfahren für Flüchtlinge eingeführt, die keine Papiere haben oder aus einem sicheren Drittland eingereist sind. Solange dieses Verfahren läuft, leben die Asylbewerber zwar auf deutschem Boden, aber in Deutschland angekommen sind sie noch nicht. Die Unterkunft gehört zum Transitbereich des Flughafens, sie gilt offiziell nicht als deutsches Hoheitsgebiet.

Nicht nur dem Namen nach ist dieses Niemandsland ein trostloser Ort. Im rechten Trakt des einstöckigen Gebäudes sind die Befragungszimmer von Bundesgrenzschutz und Bundesamt für Flüchtlinge untergebracht, ein Tisch, zwei Stühle, weiße Gipswände und brauner Teppichboden. Das einzige Bild im ganzen Haus hängt gleich neben dem Eingang an der gelb getünchten Wand: Ein Puzzle mit Bergpanorama.

Drei Holzstühle und eine traurige Aussicht

Im linken Trakt liegen die Zimmer, in denen die Bewohner leben und auf das Urteil warten, ob sie bleiben können oder nicht. Wohnlich ist es auch hier nicht: sechs Eisenbetten, ein Resopaltisch, drei Holzstühle und eine traurige Aussicht. Durch die Fenster, die sich nur mit Hilfe des Wachmanns öffnen lassen, sieht man den mit Stacheldraht gesicherten Zaun. Der soll verhindern, dass jemand das Gelände verlässt. Wer das schafft, ist offiziell nach Deutschland eingereist.

Im Lagerraum des Gebäudes stapeln sich Decken, Nudelpackungen, Milchkartons, Töpfe und Babynahrung, die an die Bewohner ausgegeben werden. Wer was bekommt, wird fein säuberlich in einem Buch notiert - der letzte Eintrag stammt vom 2. Dezember. Seitdem steht das Gebäude leer.

Wer hier einzieht, bleibt in der Regel nicht lange. Doch manchmal kann es auch länger dauern: Im Jahr 2005 lebte der Iraker Burhan Karim Zangana acht Monate abwechselnd in der Flughafenunterkunft und in Abschiebehaft in Stadelheim - ohne in die Bundesrepublik eingereist zu sein. So fiel er nicht unter den bestehenden Abschiebestopp in den Irak und wurde am Ende zurückgeschickt. Kein Stoff für Hollywood.

Lesen Sie weiter: Eine Wunderkammer im Residenztheater.

Dieser Teil des Residenztheaters gleicht einem verwirrenden Labyrinth. Verwinkelte Gänge und schmale Treppen führen zu vielen Eisentüren, die dem Publikum in aller Regel verschlossen bleiben. In den Räumen dahinter lagern Schätze und Kostbarkeiten, die zur Grundausstattung eines Theaters gehören und die Augen vieler Frauen zum Leuchten bringen: herrliche Kleider, mit Gold bestickt und Brokat verziert, kunstvoll geraffte Roben und lange Schleppen, aber auch Cocktailkleider und kesse Miniröcke. Wer hier zwischen den Kleiderständern und Schränken wandelt, macht gleichzeitig einen Spaziergang durch die Jahrhunderte.

Ein Sammelsurium an Hüten: Im Kostümfundus des Residenztheaters findet sich für jeden Modestil das richtige Accessoire. (Foto: Foto: Haas)

Der Kostümfundus des Residenztheaters ist ein Spiegel der Modestile aus vergangenen Zeiten. Das Lager ist in einen Damen- und Herrenfundus aufgeteilt, dessen Inventar nicht nach Konfektionsgrößen, sondern nach Stilrichtungen und Epochen sortiert ist - weil dies für die Bühnenarbeit entscheidend ist. "Kostüme", sagt die gelernte Schneidermeisterin und ehemalige Gewandmeisterin Ursula Schwandt, die den Herrenfundus leitet, "werden im Laufe der Aufführungen so stark strapaziert, dass sie oft mehrmals hergestellt werden müssen".

Durch abrupte Bewegungen und Verrenkungen der Schauspieler reißen die häufig maßgeschneiderten Stücke entzwei, bei blutigen Szenen werden die Kostüme mit Flüssigkeiten bespritzt, die manchmal auch der gründlichsten Wäsche widerstehen. "Dann müssen wir uns eben noch einmal an die Arbeit machen", sagt Ursula Schwandt - der Job im Kostümfundus ist eben manchmal auch Sisyphusarbeit.

Besonders seltene und wertvolle Stücke beherbergt die Militärabteilung des Herrenfundus. Ursula Schwandt kommt ins Schwärmen: "Das sind absolute Schätze, die kein Mensch bezahlen kann." Deshalb werden sie auch in Schränken weggeschlossen, die wie riesige Tresore aussehen und auch wie solche geöffnet werden: Ursula Schwandt dreht an einem Hebelkreuz, worauf sich der eiserne Sesam öffnet und sein Innenleben preisgibt: Uniformen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, Mäntel von Schergen aus der Nazizeit, Kettenhemden, wie sie Kreuzritter trugen. Und nebenan im Kinderfundus findet sich ein Gladiatorengürtel, den die Kostümbildner aus Fahrradschläuchen zusammengeflickt haben.

Auch "wenn's ums Schwindeln geht", wissen Ursula Schwandt und ihre Kollegen Rat. Wenn Schauspieler dicker erscheinen sollen, als sie sind, schneidern sie einen sogenannten Watton, mit dem man auch einen großen Buckel imitieren kann. Zu den Besonderheiten im Schuhfundus der Damenabteilung gehören etwa hochhackige Pumps der Größe 45 oder ein Modell, das einen Pferdefuß imitiert. Aber auch eine mit Lockstoffen gefüllte Mottenfalle, die auf einem der Regale steht. Kostümhüterinnen wie Ursula Schwandt kennen da keine Gnade: "Motten können einen kompletten Fundus vernichten."

Text: Robert Stocker

Lesen Sie weiter: die Badenburg, die Max Emanuel auch für amouröse Abenteuer einrichten ließ

Die Tür hat nichts Fürstliches. Der mattweiße Lack blättert an manchen Stellen schon ab, kniehoch hat der letzte Platzregen Erdspritzer hinterlassen. Der Nebeneingang links von der ausladenden Freitreppe - dem repräsentativen Haupteingang der Badenburg - war auch früher nur den Dienstboten zugedacht und vielleicht der ein oder anderen Mätresse von Nutzen, die sich unbemerkt davonschleichen wollte (aber das ist nicht verbürgt).

Unbestritten ist jedoch, dass die Badenburg das erste größere Bauwerk in Europa war, das sich ausschließlich dem Zwecke des Badens widmete. Max Emanuel hatte sie 1718 bis 1721 im Schlosspark Nymphenburg von Joseph Effner errichten lassen. Offenbar inspirierten den Kurfürsten auf seinen Ungarnfeldzügen gegen die Türken deren große Badeanlagen, die Hamams.

Wie die anderen Parkburgen in Nymphenburg diente die im indianischen Stil ausgestaltete Badenburg nicht nur der Staffage, sondern war ein Lustschlösschen im durchaus wörtlich zu nehmenden Sinne. Hier im dichten Wald des Parks ließ die Fürstlichkeit die strenge Etikette fallen, die im Schloss im Barockzeitalter herrschte. Man kann sich sicher sein, dass das eine oder andere amouröse Abenteuer dort seinen Lauf nahm. "Das Bad diente jedenfalls nicht nur hygienischen oder sportlichen Zwecken", bestätigt der Kunsthistoriker Sybe Wartena von der Bayerischen Schlösserverwaltung.

Damit der Fürst es wohlig warm hatte, musste das von der Würm abgezweigte Wasser natürlich erhitzt werden. Die Tür für die Heizer und Bediensteten führt über eine enge Wendeltreppe in einen geräumigen Keller, dessen Kreuzgratgewölbe so hoch angesetzt ist, dass auch ein Hüne noch locker aufrechten Ganges gehen könnte. Es riecht muffig und modrig, und obwohl schon beim Bau ein eigener Dränagekanal außen um das Gebäude gezogen worden war, drang auch damals ständig Feuchtigkeit durch die dicken Wände.

Herzstück ist eine Heizanlage, deren Dimension erst einmal enttäuscht. Sie ist kaum größer als ein herkömmlicher Kachelofen, und die vier Stufen, die zum Kessel hinabführen, geben den Blick auf eine mickrige Befeuerungsluke frei. Oberhalb des Brenners ist eine blecherne Wanne in den Ofen eingemauert, in der Wasser zum Sieden gebracht wurde. Durch diese Wanne windet sich spiralförmig ein Bleirohr. Darin floss Würmwasser und erhitzte sich für das acht auf sechs Meter große und 1,40 Meter tiefe Schwimmbecken.

Und das soll funktioniert haben? Ein kleiner, mit Holz befeuerter Kessel für fast 70 Kubikmeter Wasser? Wartena zuckt mit den Schultern. Es gibt keine Aufzeichnungen, wie lange es dauerte, das Becken warm zu kriegen. "An einem Tag war's wohl kaum zu schaffen", sagt er, "und ob es Badewassertemperatur erreichte, bezweifle ich."

Vielleicht war das Baden im großen Becken mit der umlaufenden Galerie, den mit nymphenähnlichen Figuren ausgestalteten Stuck-Konsolen, den Lüstern und vergoldeten Delphin-Hähnen und einer ebenfalls güldenen Zuleitung, aus der nach Wunsch Milch geflossen sein soll, ja auch gar nicht so wichtig. Zur Zeit der Kurfürsten, erzählt Wartena, waren die Wände im Keller mit Papiertapeten ausgekleidet. Sie schimmelten zwar schnell und mussten häufig ausgetauscht werden, sorgten aber für eine heimelige Atmosphäre in einem Bereich, der neugierigen Blicken entzogen war. Vier wuchtige Badewannen, zwei für warmes, zwei für kaltes Wasser, ließ Max Emanuel im Kellergewölbe einbauen, außerdem Himmelbetten in einem Ruheraum. Damit das Glück perfekt war, konnten der Fürst und seine Gäste die Séparées mit Vorhängen zuziehen.

Text: Michael Ruhland

Das Browning-Maschinengewehr ist das Prunkstück der Sammlung. Gut anderthalb Meter lang, mehr als 50 Kilo schwer, Kaliber 12,7 mal 99 Millimeter. "Das Modell stammt aus einem amerikanischen Bomber im Zweiten Weltkrieg", sagt Waffentechniker Michael Hausmann. Irgendjemand muss es damals gefunden und dann in seinem Keller versteckt haben - bis die Polizei die Waffe samt selbstgebauter Lafette sicherstellte. "Voll funktionsfähig", sagt Hausmann, das hat er auf dem Übungsplatz selbst ausprobiert.

Damit kein anderer mit der Kriegswaffe sein Unwesen treibt, liegt das Maschinengewehr sicher verwahrt im Keller des Landeskriminalamts an der Maillinger Straße hinter Schloss und Riegel. Die schwere Eisentür ist alarmgesichert, damit niemand außer Hausmann und seinen Kollegen diesen Raum betritt. Denn der Inhalt ist explosiv.

Gut 2000 Gewehre stehen hier bei wohltemperierten 20 Grad und maximal 50 Prozent Luftfeuchtigkeit aufgereiht in den Metall-Regalen: Ein Henrystutzen, wie ihn Old Shatterhand abfeuerte, eine Kalaschnikow AK-47 der Olympia-Attentäter, eine Unterwasserkalaschnikow für Kampftaucher, ein seltener Prototyp von einem Hofbüchsenmacher aus König Ludwigs Zeiten - und jede Menge ganz gewöhnlicher Luftgewehre, Repetierer, automatischer Waffen, die in den vergangenen Jahrzehnten bei Mordfällen, Raubzügen oder Hausdurchsuchungen sichergestellt wurden.

Schon seit 1946 sammelt das LKA in Bayern beschlagnahmte Waffen. 6500 sind es insgesamt, vom Pfefferspray bis zur Panzerfaust. Die Kurzwaffen werden einen Stock höher aufbewahrt, gleich neben den Gewehren liegt der Beschussraum, in dem die Techniker in eine Wasserwanne oder eine Wattebox feuern. Hin und wieder, erklärt Hausmann, werde aber auch ein neues Fabrikat hinzugekauft, um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben.

Denn die Sammlung der Gewehre ist kein museales Hobby, sondern eine "lebendige Bibliothek", wie es Hausmann ausdrückt. "Wir brauchen die Vergleichsmuster, um Kriminalfälle nachstellen zu können." Ob beim Amoklauf in Reichenhall oder vor wenigen Wochen beim brutalen Banküberfall in München, bei dem ein Polizist angeschossen wurde - nach der Schießerei rücken die Waffentechniker des LKA an: "Wir untersuchen Schussdefekte in Personen, Einschusslöcher, Schmauchspuren und versuchen herauszulesen, was sich zugetragen hat", erklärt der Leiter der Abteilung, Siemon Eichner. Gab es einen Kampf? Lässt die Schussfolge einen Profi als Täter ausscheiden? Das versuchen die Beamten mit Technik "und Phantasie" herauszufinden.

Die Gewehre im Keller des LKA kommen vor allem in zwei Fällen zum Einsatz: Wenn bei der Rekonstruktion eines Falls die Tatwaffe fehlt und bei Versuchen durch ein gleiches Modell ersetzt werden muss. Oder wenn die Ermittler bei sichergestellten Waffen technische Veränderungen beurteilen müssen, etwa wenn findige Bastler harmlose Deko-Waffen zu funktionsfähigen Gewehren umbauen. Wie gefährlich das sein kann, sieht man auf einem Röntgenbild im Gang des LKA - ein Teil eines explodierten Gewehrs hat sich da in den Unterarm des Schützen gebohrt.

Text: Martin Hammer

Lesen Sie weiter: Die Tür, die Leben rettet

Diese Stelle im Münchner Norden ist ein hässlicher Ort - aber sie kann Leben retten. Auto an Auto an Auto rast hier vorbei, auf zwei Spuren, und was diese zigtausend Autos pro Tag ausstoßen, kann zunächst nirgendwo hin. Die Abgase, der Lärm, das alles bekommt derjenige ab, der sich vor dieser Tür aufhält.

Eigentlich gibt es nur ein Gutes an dieser Tür: Sie ist nie verschlossen. Man kann hindurch gehen, schreitet kurz nach rechts und dann ein paar Stufen nach oben. Vor der nächsten Tür ist es dann schon erheblich schöner, immerhin fabriziert der nüchterne Beton, der einen hier umgibt, weder Gestank noch Lärm.

Und erst der Schritt danach: Tür Nummer zwei öffnet sich - und man befindet sich im Petuelpark, dem begrünten Dach dieser Stelle des Mittleren Rings. Die Abgase sind plötzlich weg, und man hört sogar das Wasser plätschern, das durch den Nymphenburg-Biedersteiner Kanal fließt.

Der Notausgang im Petueltunnel - im Idealfall wird er ohnehin nie gebraucht. Und, auch das mag überraschen, wenn es im Tunnel brennen oder sonstige Schwierigkeiten geben sollte, wird dieser Notausgang für die wenigsten das rettende Nadelöhr sein. Dazu gibt es entlang der 1500 Meter langen unterirdischen Strecke vielmehr etliche Türen, die schlicht und ergreifend von einer Röhre in die nächste führen.

Bei Feuer: Rot

Denn die beiden Fahrtrichtungen sind getrennt. Brennt es in einer Röhre, wechseln die Menschen im Tunnel in die andere und sind zunächst in Sicherheit. Alle 60 Meter gibt es diese Möglichkeit zum Wechsel. Richtige Notausgänge ins Freie hingegen gibt es auf beiden Seiten alle 300 Meter. In den großen Tunneln am Mittleren Ring sowie am Altstadtring, die das Baureferat betreut, gibt es 30 solcher Notausgänge.

Weil es im Ernstfall nicht nur wichtig ist, dass alle Menschen schnell aus dem Tunnel kommen, sondern auch, dass möglichst keiner mehr hineinfährt, spielen außerhalb des Tunnels bereits etliche Ampeln eine wichtige Rolle im Brandschutz. Schon mehrere Kreuzungen vor dem Tunnel tragen die Lichtanlagen ihren Teil bei - und schalten auf Rot.

Text: Michael Tibudd

Adventskalender 1 bis 14: Hier geht es zu weiteren Münchner Türen.

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