Abschied von Umweltreferent Joachim Lorenz:Der Immer-noch-da geht

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Er rechnete mit einer einzigen, auf sechs Jahre begrenzten Amtszeit. Es wurde dann doch etwas länger. Nach 22 Jahren verabschiedet sich Umweltreferent Joachim Lorenz in den Ruhestand

Von Dominik Hutter

Es kann durchaus passieren, dass Joachim Lorenz am Wochenende bei Journalisten anruft. Zu Hause. Weil ihn irgendeine Veröffentlichung so wurmt, dass er keine Ruhe mehr hat. Er redet dann schnell, sehr schnell, und mit seinen typischen, etwas umständlichen Formulierungen. Alles sei doch eigentlich ganz anders, und auch der Oberbürgermeister sei ziemlich verwundert. Freundlich bleibt Lorenz dabei immer. Es ist ihm nur wichtig, seinen Standpunkt darzulegen, mögliche Missverständnisse auszuräumen. Danach ist alles wieder gut. Nach mehr als 30 Jahren in der Kommunalpolitik ist Lorenz viel zu sehr Profi, um nachtragend zu sein. Das gilt für Journalisten ebenso wie für seine Stadtratskollegen, mit denen er heftig streiten, aber auch herzlich lachen kann.

"Ich bin ein leidenschaftlicher Kommunaler", sagt der 65-jährige Grünen-Politiker. Tatsächlich ist sein Engagement nicht nur in der eigenen Partei, sondern auch beim politischen Gegner anerkannt - obwohl Lorenz inhaltlich durchaus polarisiert. Schon im März 1993, noch vor dem offiziellen Beginn seiner Amtszeit als Umweltreferent, gab es größte Aufregung, weil der Neue die Idee hatte, bei starker Benzol-Belastung alle Autos aus der Innenstadt auszusperren. Damals war die rot-grüne Rathauskoalition drei Jahre alt, Oberbürgermeister war noch Georg Kronawitter. Und Lorenz, der 1984 mit der ersten grünen Stadtratsfraktion ins Rathaus eingezogen war, wollte Akzente setzen.

Es gibt ein Schwarz-Weiß-Foto, das vor der denkwürdigen 1984er-Wahl am Karlstor aufgenommen wurde. Es zeigt die damaligen grünen Spitzenkandidaten, darunter die spätere Bürgermeisterin Sabine Csampai mit Palästinensertuch und den späteren Kommunalreferenten Georg Welsch in seiner unvermeidlichen Strickweste. Sie alle sind schon seit vielen Jahren nicht mehr im Rathaus. Nur Lorenz, auf dem Foto der mit dem lässig umgeworfenen Schal, ist immer noch da. Bis zum nächsten Mittwoch, dann räumt er sein Chefbüro an der Bayerstraße und geht in den Ruhestand. Feierlich verabschiedet wird er bereits an diesem Freitag.

22 Jahre lang war der gebürtige Bad Kissinger städtischer Referent, erst nur im Umwelt- und seit 1998 zusätzlich im Gesundheitsressort. Eine Karriere, die so nicht geplant war. "Ich habe mich nicht vorgedrängelt", sagt der Vater dreier Töchter. Es war aber eben einfach so, dass in der Grünen-Fraktion nur Welsch und er selbst die Qualifikation für ein solches Spitzenamt vorweisen konnten. Lorenz ist Geograf, Volkswirtschaftler und Stadtplaner, er arbeitete damals beim Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum. Und wurde schließlich erster grüner Umweltreferent. Lorenz rechnete mit einer einzigen, auf sechs Jahre begrenzten Amtszeit, "danach ist Rot-Grün eh futsch". Es wurde dann doch etwas länger. Inzwischen hat der Mann mit den markanten Augenbrauen sogar die rot-grüne Koalition überdauert, ziemlich genau um ein Jahr.

Erst Benzol, dann Feinstaub und jetzt Stickstoffdioxid: Der Kampf gegen die Luftverschmutzung begleitete Lorenz seine ganze Referentenzeit. Vor allem die Stadtratskollegen der autofreundlicheren Parteien verdrehten die Augen, wenn der Grünen-Politiker mal wieder vehement für Verkehrsbeschränkungen plädierte. In seinem typischen Redestil: immer ein bisschen zu lang, mit vielen Schachtelsätzen im Behördenjargon und gerne auch mal im Kreis argumentierend. Lorenz hat keine Scheu davor, Verwaltungspapiere durchzuarbeiten, schon als Stadtrat übrigens nicht. Sein politischer Wegbegleiter Siegfried Benker, heute Chef von Münchenstift, erinnert sich mit Schmunzeln an die Zeit, als nur Welsch und Lorenz Stadtratsvorlagen lasen und auch noch ernst nahmen - während der Rest der Fraktion davon ausgegangen sei, die Verwaltung strebe "die Regierung Münchens im Auftrag des Großkapitals" an.

Lorenz war immer ein bisschen mehr Umwelt- als Gesundheitsreferent, auch wenn er sich mit großer Verve in das später dazugekommene Ressort eingearbeitet hat. Als wichtigste Errungenschaften seiner Amtszeit sieht er die Förderprogramme für Klimaschutz und Elektromobilität. Zehn Jahre lang war er Vorsitzender im Umweltausschuss des Deutschen Städtetags, er nutzte die Position, um sich intensiv über alle aktuellen Entwicklungen in Sachen Umweltzone und EU-Feinstaubwerte zu informieren. Bei dieser Thematik macht Lorenz kaum jemand etwas vor.

Umstrittener war seine Rolle als Betreuungsreferent des Stadtklinikums. Schon bei der Übernahme des Gesundheitsressorts gab es böse Stimmen, Lorenz sei an den Krankenhäusern eigentlich nicht interessiert. Er selbst hat dies stets energisch zurückgewiesen. Doch als nach dem Hygieneskandal 2010 die finanzielle Misere des Unternehmens bekannt wurde, geriet auch Lorenz in die Kritik - gemeinsam mit seinem Parteifreund, Bürgermeister Hep Monatzeder, der damals den Aufsichtsrat leitete. Lorenz musste die Betreuung des Klinikums an Kämmerer Ernst Wolowicz abtreten. Er hatte sich jahrelang blenden lassen - wie freilich das gesamte Rathaus.

Nun überlässt er den Klimaschutz, die Gesundheitsversorgung an den Schulen und auch die städtischen Friedhöfe einem Nachfolger, der bislang nicht feststeht. Lorenz freut sich auf den Ruhestand, das sagt er immer wieder. Ende Juni besucht er die Tochter in Namibia, im August will er sich ein Gewächshaus im Garten bauen. Dem Nachfolger lässt Lorenz einen Brief auf dem Schreibtisch zurück mit dem Angebot für ein Treffen. Falls es Fragen gibt.

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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