Abschied von einem Zeitzeugen:Ulrich "Uri" Siegel ist tot

In der jüdischen Gemeinschaft, aber auch in der Münchner Stadtgesellschaft spielte der Rechtsanwalt Ulrich Siegel über viele Jahre eine wichtige Rolle. (Foto: Toni Heigl)

Zum Tod von Ulrich "Uri" Siegel

Er war 97 Jahre alt - und einer der letzten, die "noch das alte Münchner Judentum aus der Zeit vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten kannten und davon berichten konnten", wie Charlotte Knobloch formuliert, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Am Freitag starb Ulrich, genannt "Uri", Siegel in der Landeshauptstadt.

Siegel, ein Neffe des einstigen FC-Bayern-Präsidenten Kurt Landauer, flüchtete 1934 aus München, nachdem der Cousin und Sozius seines Vaters öffentlich gedemütigt und misshandelt worden war. Michael Siegel war von den Nazis mit abgeschnittenen Hosen durch die Stadt geführt worden, mit einem Schild um den Hals, auf dem stand: "Ich werde mich nie mehr bei der Polizei beschweren."

1956 kehrte Ulrich Siegel trotz der schlechten Erinnerungen nach München zurück und arbeitete hier - wie zuvor schon sein Vater - als Rechtsanwalt. Diese Rückkehr, so Knobloch in ihrer Würdigung, sei "bemerkenswert" gewesen und "für München ein großes Glück": "In der jüdischen Gemeinschaft, aber auch in der Stadtgesellschaft seiner Geburtsstadt spielte Siegel über viele Jahre eine wichtige Rolle und setzte sich immer wieder aktiv gegen das Vergessen ein. Die Geschichte seiner Familie ist auch eine Geschichte unserer Stadt. Ein München ohne Siegels war über viele Jahrzehnte unvorstellbar - und ist nun doch eine schmerzliche Realität."

© SZ vom 27.06.2020 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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