Abschied:Der Macher des Paradieses

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Josef Wund starb am Donnerstag bei einem Flugzeugabsturz. (Foto: imago/7aktuell)

Aus einem Acker ließ Josef Wund die Therme Erding wachsen, und sie wächst noch immer. Ein Nachruf

Von Rainer Stadler

Josef Wund stammte aus einer anderen, fernen Zeit: geboren 1938, als Sohn eines Kutschers. Er erlebte Deutschland nach dem Krieg, wie aus Ruinen und Trümmerhaufen binnen weniger Jahre florierende Städte erwuchsen. Diese Zeit, sagte Wund später, habe ihn tief geprägt. Obwohl er nie ein Gymnasium besuchte, sondern früh auf der Baustelle arbeitete, schaffte er die Aufnahmeprüfung für die Universität, wurde Bauingenieur und Architekt. Von Anfang an dachte er groß, errichtete mit 27 für den Technikkonzern ZF Friedrichshafen eine Halle mit gewagter Hängedach-Konstruktion. Später baute er Tennishallen, mehr als 30 deutschlandweit, und nach Ende des Tennisbooms ein Dutzend Krankenhäuser.

Wund hatte die Gabe zu erkennen, dass sich mit harter Arbeit aus dem Nichts etwas Großes schaffen lässt - auch Mitte der Neunzigerjahre, als er mit seinem Sohn Jörg zum ersten Mal auf einem leeren Acker am Rand von Erding stand und sich ein Badeparadies vorstellte, in das jährliche Hunderttausende Besucher strömen würden. "Werde oder sterbe" war einer seiner Wahlsprüche, und so baute er die Therme Erding und vergrößerte sie, kaum dass sie eröffnet war. Neue Rutschenparadiese, eine riesige Saunalandschaft, Wellenbad, ein Hotel mit 130 Zimmern: Wund schuf die nach eigenem Bekunden weltgrößte Therme, während andernorts reiheweise die Spaßbäder dichtmachten. Seine Bäder, die er auch in Sinsheim, Euskirchen Bad Wörishofen und am Titisee eröffnete, waren von Anfang an für die Masse geplant. Dennoch machte sich Wund viele Gedanken, wie sich die Menschen dort geborgen fühlen könnten. Seine Lösung: zum einen jede Menge warmes Thermalwasser - "wir alle haben einen Bezug zum Wasser in Körpertemperatur, nicht zuletzt wegen der ersten neun Monate im Bauch der Mutter". Zum anderen Hunderte Palmen, die er aus Asien einfliegen ließ: "Palmen der allerfeinsten Form, geschmeidig, mit einer glatten Haut, fast wie bei einem Kind". Der Großarchitekt Wund konnte leidenschaftliche Monologe über solche Details halten.

Und er ahnte, lange vor den Terroranschlägen in den Urlaubsregionen der Welt, dass sich die Lust der Deutschen an Fernreisen irgendwann erschöpfen könnte. Er wollte sie aus den Fliegern heraus in seine künstlichen Paradiese locken, "das ist ökologischer und die Wertschöpfung bleibt in Deutschland". Tatsächlich löst die Therme Erding eine große Anziehungskraft aus: Mehr als die Hälfte der zuletzt etwa 1,7 Millionen Besucher im Jahr nimmt einen Anfahrtsweg von 100 Kilometern in Kauf.

Dass sich nicht alle dort geborgen fühlen, vor allem an Wochenenden oder in den Ferien, wenn sich auf 180 000 Quadratmetern Therme kaum ein freier Stehplatz findet, das beschäftigte Wund weniger - das Tagesgeschäft hatte er seinem Sohn Jörg übertragen. Auch in seiner Zunft löste sein Wirken nicht nur Begeisterung aus. Als er zur Expo 2000 den Deutschen Pavillon errichtete, lästerte der damalige Präsident des Bundes Deutscher Architekten, Wund werde "mit der zu erwartenden architektonischen Qualität der Baukultur in Deutschland schweren Schaden zufügen".

Wund schuf ein Geflecht aus 50 Firmen, an dessen Spitze er bis zuletzt stand. Morgens machte er Krafttraining, dann ging er arbeiten, 70, 80 Stunden pro Woche. Aufhören kam für ihn nicht in Frage, dem Handelsblatt sagte er 2016, Goethe habe "mit über 80 auch noch die besten Werke geschrieben". Am Donnerstag starben Josef Wund und zwei weitere Insassen bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Ravensburg. Er wurde 79 Jahre alt.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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