Abi-Affäre an Münchner Gymnasium:Mehr als auffällig

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Beim Abitur am Städtischen Thomas-Mann-Gymnasium hat ein Schüler nach Einschätzung des Ministeriums gegen die Regeln verstoßen. (Foto: Michael König)

Für das Kultusministerium ist die Sache eindeutig: Beim Abitur am Thomas-Mann-Gymnasium habe ein Schüler die Prüfungsaufgaben vorab gekannt. Der 19-Jährige lässt dies über seinen Anwalt bestreiten - auch ein zu enges Verhältnis zu dem Schuldirektor habe es nicht gegeben.

Von Katja Riedel und Melanie Staudinger

Für das bayerische Kultusministerium ist die Sache eindeutig: Am Städtischen Thomas-Mann-Gymnasium (TMG) hat ein Schüler bei der schriftlichen Abiturprüfung im Fach Musik gegen die Regeln verstoßen - offenbar kannte er die Prüfungsfragen. Auch bei weiteren Klausuren und einem Englisch-Test aus der Qualifikationsphase soll es Auffälligkeiten geben, "die Fragen aufwerfen". Das bestätigte ein Sprecher am Freitag. Zur Art der neu aufgetauchten Unstimmigkeiten wollte er sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. Die Stadt als Träger der Schule sei über die Prüfergebnisse informiert worden. Die Lehrerkonferenz des Gymnasiums muss nun entscheiden, ob der 19-Jährige nachträglich durch die Abiturprüfungen fällt. Der Fall hatte weithin für Aufregung gesorgt.

Die zuständige Ministerialbeauftragte habe deutliche Übereinstimmungen zwischen dem Klausurtext des Schülers und dem Text des Erwartungshorizontes festgestellt. Dies war bereits den beiden Korrektoren der Prüfung aufgefallen, die darum das Kultusministerium eingeschaltet hatten. Zudem war während der Prüfung aufgefallen, dass der Schüler die Klausur in kürzester Zeit geschrieben und unmittelbar nach Austeilen der Aufgaben mit dem Schreiben begonnen hatte. Im Raum steht darum der Vorwurf, dass der vorläufig suspendierte Schulleiter des TMG dem Schüler die Aufgaben und den Lösungstext vorab zugänglich gemacht haben soll. Lehrer und Schüler bestreiten dies vehement. Genauso wie einen sehr persönlichen Kontakt zwischen Schulleiter und dem Schüler, der über eine fachliche pädagogische Betreuung hinausgeht.

Der Musiklehrer soll seit mindestens 2011 ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu dem Schüler unterhalten und dies auch nicht verheimlicht haben. Aufgrund von zwei aktenkundigen Informationen hierüber hatte das Schulreferat bereits vor zwei Jahren Unterlagen zur Aufklärung des Sachverhalts an das städtische Personalreferat übergeben. Auch Schüler wurden dazu befragt. Trotz des massiven Verdachts griff das Personalreferat aber nicht an der Schule ein. Konsequenzen folgten erst, als Korrektoren der Abiturprüfung Hinweise sahen, die nahelegten, dass der Schüler über den Inhalt der Prüfung im Fach Musik vorab informiert war.

Stadtschulrat Rainer Schweppe hatte Anfang August angekündigt, den Fall intern restlos aufzuklären und zudem alle verfügbaren Akten der Staatsanwaltschaft übergeben. Aufgrund des laufenden Verfahrens kann sich Schweppe derzeit nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen aufgenommen. Die Auswertung des sehr umfangreichen Materials werde länger dauern, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkreis-Koch am Freitag.

In einem Kurzgutachten, das der SZ vorliegt, ist von "Auffälligkeiten" die Rede, "die sich durch die gesamte Schülerarbeit" ziehen. Dabei geht es um den Aufbau der Antworten, aber auch um textliche Übereinstimmungen ganzer Satzteile und einzelner, eher ungewöhnlicher Schreibweisen und Begriffe, zum Beispiel "notentextgetreu" oder "Walzerelemente". Dieser Darstellung hat der Anwalt des Schülers in einer fachlichen Stellungnahme widersprochen und dabei die Qualität des Gutachtens massiv infrage gestellt. Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass der Schüler hochbegabt sei.

In einer ausführlichen Entgegnung schreibt der Schüler: "Hierzu muss ich anmerken, dass ich mir die volle Punktzahl redlich verdient habe." Die Übereinstimmungen zum Erwartungshorizont ergäben sich nicht durch eine Vorabinformation, sondern durch intensives Selbststudium. "Seit vielen Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Erweiterung meiner Repertoirekenntnisse, mit musiktheoretischem Wissen, mit Harmonielehre und Instrumentenkunde", schreibt er. Zudem sei ihm im Unterricht "in Person meiner Lehrkraft nicht der Sachverständige begegnet". Sein Anwalt will an dem bereits eingelegten Widerspruch gegen die Abiturnote festhalten. Über den Fall wird die Lehrerkonferenz des Gymnasiums wohl im September beraten. Sollten die null Punkte, mit der die Musikklausur jetzt bewertet ist, nicht zurückgenommen werden, werde er für seinen Mandanten Klage beim Verwaltungsgericht einreichen.

Der Rechtsanwalt des Direktors kritisiert in seiner Stellungnahme das Vorgehen der Stadt. Dass sein Mandant derzeit vorläufig suspendiert sei, entbehre jeder sachlichen Grundlage. Die beiden Umschläge mit Abiturarbeiten seien in Anwesenheit dritter Personen geöffnet worden. Diese hätten ausgesagt, dass sie keinen Umschlag wahrgenommen hätten, der bereits vorher geöffnet worden sei.

© SZ vom 24.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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