25 Jahre Grüne:Es grünt so grün, weil Münchens Grüne blühen

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Vom Bürgerschreck zum Bürgermeister: Die Grünen in München feiern ein Vierteljahrhundert politische Arbeit.

Sven Loerzer und Berthold Neff

Der Untergang des Abendlandes, vorallem der Münchens, stand zweifellos unmittelbar bevor. Geplant war, wie das CSU-Blatt Bayernkurier zeterte, nichts Geringeres als "die totale Entmündigung der Münchner Bevölkerung".

Fraktionschef Siegfried Benker: Einsatz auf der Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz. (Foto: Foto: ahed)

Bayerns Landeshauptstadt sollte nicht nur zum "Stau- und Verkehrschaoszentrum", sondern auch zum "Schwulen- und Lesbenzentrum", ja gar zum "deutschen Abtreibungszentrum" werden, von der "atomwaffenfreien Zone" und Tempo 30 allüberall ganz zu schweigen. München würde, käme es hier zu einer rot-grünen Koalition, "nicht nur ins Chaos gestürzt, es würde auch nie mehr das München sein, das es einmal war!"

Heute, ein Vierteljahrhundert nach diesem Aufschrei, sind zwar die Grünen auch nicht mehr das, was sie mal waren. Aber was waren das für zwei Frauen und vier Männer, die bei der Kommunalwahl vom 13. März 1984 für die Grünen ins Rathaus gewählt wurden?

Georg Welsch, später Kommunalreferent, damals städtischer Beamter; Sabine Csampai, Bühnen- und Kostümbildnerin, später Bürgermeisterin; Thomas Ködelpeter, Alt-Linker, heute in der Erwachsenenbildung tätig; Maya Kandler, Lehrerin, die schon nach zwei Jahre den Beruf der Politik vorzog; Joachim Lorenz, Stadtplaner, heute Referent für Gesundheit und Umwelt, und Gerd Wolter, Schriftsteller und bekennender Schwuler.

Geprägt von Wackersdorf

Sie alle kamen aus einer Bewegung, die geprägt war vom Widerstand gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf und gegen die Nachrüstung: "Wir sind", sagt Siegfried Benker heute, " damals angetreten als der parlamentarische Arm einer außerparlamentarischen Bewegung", die sich aus Basis-, Häuser-, Umwelt- und Fraueninitiativen speiste.

Die Grünen wollten genau das nicht sein, was sie heute sind - eine Partei. Benker selber, der als dezidiert Linker 1982 die Alternative Liste München (ALM) mitbegründet hatte, kam aus der Hausbesetzerszene. In der neuen Fraktion Die Grünen/ALM wirkte Benker, heute 52 Jahre alt, erst als Mitarbeiter und seit 1996 als Fraktionschef.

Damals hatte bei der SPD Georg Kronawitter, Exponent des rechten Flügels, das Sagen. Er saß nach seinem Stichwahl-Sieg gegen Erich Kiesl (CSU) fest im Sattel. So schien Rot-Grün allenfalls als Schreckgespenst im Wahlkampf zu taugen. Kronawitter selber traute der neuen Fraktion nicht über den Weg, billigte ihnen allenfalls "noch ein paar Jahre Narrenfreiheit" zu. Auf Dauer, so Kronawitter, könnten sie sich "nicht aus der politischen Verantwortung stehlen wie ein Schwarzfahrer aus einer überfüllten U-Bahn". Das hatten die Grünen gar nicht vor, die im Übrigen sowieso die Trambahn oder gleich das Fahrrad bevorzugten.

Von den Vertretern der etablierten Parteien waren sie bald äußerlich kaum mehr zu unterscheiden, zumal sie ihre selbst gestrickten Schlabberpullis schnell den Motten zum Fraß überließen. Davon ließ sich als erstes die CSU einlullen. Offenbar schätzten die Schwarzen, wie der erste Grünen-Fraktionschef Georg Welsch sein münchnerisches Idiom kultivierte und sich bevorzugt in graue Strickjacken mit alpenländischem Zopfmuster kleidete. Prompt wählten sie ihn 1988 in einem Aufsehen erregenden Coup zum Kommunalreferenten.

Die bundesweit erste schwarz-grüne Koalition lebte nicht lange. Der damalige CSU-Fraktionschef Walter Zöller wollte eigentlich nur seinen Widersacher Kronawitter ärgern, machte so aber die Grünen hoffähig. Georg Kronawitter besiegelte dann, was fast kaum jemand für möglich gehalten hatte, im Frühjahr 1990 das rot-grüne Bündnis. Und während die Grünen - mit Sabine Csampai - die dritte Bürgermeisterin stellten, wählte die CSU-Fraktion Zöller ab.

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Die Grünen sind also spätestens seit 1990 mittendrin im politischen Geschehen. Die erste Euphorie aber, die Stadt mitregieren zu dürfen, legte sich schnell, denn die neue Rolle hielt harte Prüfungen bereit. Themen wie die Kürzungen beim Behindertenfahrdienst und vorallem die Messeverlagerung von der Theresienhöhe nach Riem strapazierten deren Leidensfähigkeit.

Die eigene Linie voll und ganz, aber erfolglos, in der Opposition vertreten oder aber in einem Bündnis mit Kompromissen arbeiten, um wenigstens einige der Ziele durchzusetzen - oft stritten Fraktion und Partei erbittert über den richtigen Kurs. Man tolerierte zähneknirschend auf Kronawitters Wunsch die letzte Wiederwahl des CSU-Haudegens Hans-Peter Uhl zum Kreisverwaltungschef, obwohl dessen ausländerpolitischer Kurs den Grünen zuwider war. Das habe sie, erinnert sich Benker, "an den Rand des Bruchs gebracht".

Im Gegenzug aber hätten sie dafür die soziale Betreuung in den Unterkünften, das Flüchtlingsamt und die Förderung von Refugio, dem angesehenen Behandlungszentrum für Folteropfer, durchsetzen können. Alles das gebe es heute noch, betont Benker, "Uhl dagegen ist weg".

Die Grünen bleiben immer für Überraschungen gut. Für eine sorgte Bürgermeisterin Sabine Csampai, die 1996 nicht mehr antrat, weil sie sich mehr um ihre kleine Tochter kümmern wollte. Durch den Verzicht auf eine zweite Amtszeit schlug sie auch Pension aus.

Hep Monatzeder, 1990 (damals noch mit Bart) erstmals in den Stadtrat gewählt, hatte sich nur auf eine "kleine Episode" von sechs ehrenamtlichen Jahren, nicht aber auf einen Berufswechsel eingestellt. Er wurde Csampais Nachfolger und seither drei Mal im Amt bestätigt: "Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal der dienstälteste dritte Bürgermeister der Landeshauptstadt sein würde."

Weil die Grünen unbedingt auch eine Frau auf der Regierungsbank haben wollten, nominierten sie für die Spitze des Kommunalreferats ihre frühere Fraktionschefin Gabriele Friderich. Amtsinhaber Georg Welsch 1997 schickten sie gegen seinen Willen in den bezahlten Ruhestand.

Nun hatten auch die Grünen ihre Versorgungsaffäre. Die Wahlergebnisse trübte das nicht. Sie behaupteten ihre nunmehr acht Sitze und schafften es bei der Stadtratswahl vom 2. März 2008, die Fraktion auf elf Stadträte aufzustocken und 13 Prozent der Wähler für sich zu gewinnen. 1984, bei ihrer Premiere, waren sie auf 7,9 Prozent gekommen.

Durch die Institutionen

Dementsprechend ist auch ihre Bedeutung in der Politik gewachsen. "Wir sind von der Szene-Partei zu einer Münchner Großstadtpartei, einer Art Volkspartei geworden", sagt Benker. Mit dem Müllkonzept trug sie dazu bei, der Stadt teure Verbrennungsanlagen zu ersparen.

Der Ausbau regenerativer Energien die Flüchtlingspolitik, das Eine-Welt-Haus, neue Hilfen für Wohnungslose - das sind nur einige grüne Meilensteine. Auch der "Marsch durch die Institutionen" gelingt: Einst haben Grüne gegen die "Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung" protestiert, heute ist ihr früherer Stadtrat Helmut Steyrer dort Chef.

"Wir haben heftige Zeiten durchgemacht, aber das rot-grüne Bündnis ist trotz aller Probleme zukunftsfähig", sagt Benker. Und hat eine Erklärung parat: "Wir haben es geschafft, die SPD zu modernisieren mit unseren Themen, die SPD hat es geschafft, uns zu parlamentarisieren." Benker ist sich ganz sicher: "München haben die Grünen gut getan". Das wird gefeiert, mit OB Christian Ude als Ehrengast, am Donnerstag um 19 Uhr im Cafe Ampere. Der Untergang des Abendlandes lässt weiter auf sich warten.

© SZ vom 25.04.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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