Neue SZ-Serie: Familienbande:"Deine Mutter ist ja mega"

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Schlagfertig, feierfreudig, bühnentauglich: Simon Pearce, der Sohn von Christiane Blumhoff, setzt die Tradition der Münchner Schauspielerfamilie fort

Von Gerhard Fischer

Der Mann von Christiane Blumhoff ist seit zwölf Jahren tot. Aber er ist längst nicht Vergangenheit. Freunde und Verwandte feiern jedes Jahr am 25. Dezember in Blumhoffs Wohnung seinen Geburtstag. Und der Sohn Simon beschäftigt sich in seinen Kabarett-Programmen ständig mit Rassismus - und damit auch mit seinem Vater. Charles Bioudun Pearce war Nigerianer.

Christiane Blumhoff, 74, ist eine bayerische Volksschauspielerin; derzeit sieht man sie im "Schleichfernsehen" an der Seite des Kabarettisten Helmut Schleich. Früher hatte sie Rollen im "Komödienstadel" oder beim "Königlich Bayerischen Amtsgericht", und sie trat in "Peter Steiners Theaterstadl" auf. Zumindest bei Steiner war man nicht zimperlich, wenn es darum ging, Stammtischgerede auf die Bühne zu bringen, Klischees über Homosexuelle, Linke und Farbige. Etwa, dass ein Schwarzer sagen müsse, seine Hand färbe nicht ab, wenn er sie einem Bayern gebe. Charles Pearce saß im Publikum.

War das nicht schlimm?

"Ich war da schmerzfrei", sagt Blumhoff, "und wenn andere ein Problem mit meinem Mann hatten, dann war das deren Problem".

Christiane Blumhoff wohnt heute in einer Altbauwohnung in Haidhausen. Beide, Mutter und Sohn, vermitteln sofort den Eindruck, dass es hier locker zugeht. Die Schuhe darf, ja muss man anbehalten, wenn man das Wohnzimmer betritt, man witzelt und zieht sich auf, wobei vor allem Simon Pearce, 35, extrem schlagfertig ist; sie duzen den Gast, und sie rauchen.

Blumhoff raucht mit Mundstück und sagt: "Ich gehe abends nicht mehr in Kneipen, seit dort nicht mehr geraucht werden darf - rauchen und trinken gehören für mich zusammen." Sie haben dann regelmäßig "Bloody Mondays" in Blumhoffs Wohnung veranstaltet - Freunde kamen vorbei, in der Spitze waren es 40 Leute, man stellte Bierbänke im Wohnzimmer auf, aß und trank und lachte und rauchte.

Simon Pearce sagt, für seine Mutter gebe es keine Kluft zwischen den Generationen. "Wenn mich Freunde in München besuchen und meine Bude voll ist, wohnen die manchmal bei ihr - und hinterher sagen sie: ,Hey, deine Mutter ist ja mega'." Sie sei "eine Hippie-Mama, die immer jedem die Meinung sagt".

Christiane Blumhoff mit Sohn Simon Pearce. Derzeit sieht man Christiane Blumhoff neben Kabarettist Helmut Schleich, früher etwa im "Königlich Bayerischen Amtsgericht". (Foto: Stephan Rumpf)

Christiane Blumhoff kommt aus einer Schauspielerfamilie. Die Mutter war Schauspielerin und Sprecherin beim BR, und ihr Stiefvater war der Leiter des Münchner Marionettentheaters, Franz Leonhard Schadt. Aufgewachsen ist sie aber bei der Oma, einer Verbote-Oma. "Sie war sehr streng", sagt Blumhoff, "ich habe immer gehört: ,Das macht man nicht, das tut man nicht.' Und ich dachte mir, wenn ich groß bin, will ich frei sein - solange ich niemanden seelisch oder körperlich verletze." In den wilden Sechzigerjahren stand Blumhoff noch unter dem Einfluss der Oma, die Demonstrationen fanden ohne sie statt. Blumhoff wurde Schauspielerin, und die Sendungen, in denen sie zunächst mitspielte, waren gar nicht rebellisch: der Komödienstadel, das Amtsgericht, Derrick.

1972 führte sie Besucher durch die Stätten der Olympischen Spiele. Den Job habe sie bekommen, weil sie mit einem bekannten Fernsehmann eine Affäre hatte. Sie nennt sogar den Namen. "Warum nicht", sagt sie, "der ist ja schon lange tot". Aber die Kinder könnten noch leben.

Christiane Blumhoff bietet etwas Warmes zu trinken an, und Simon Pearce warnt vor dem Kaffee: "Mamas Kaffee endet oft in Herzinfarkten." Also Tee, vorsichtshalber. Pearce erzählt beiläufig, dass er eigentlich Sport studieren wollte, aber dass er sich beim Basketballspielen die Bänder verletzte; und dass er später eine "Schultereck-Gelenkssprengung mit Klaviertastenphänomen" hatte. Das gibt es wirklich. Zugezogen hat er sich die Verletzung, weil er sich beim Gehen auf der Straße überschlagen hat. Es ist ein bisschen kompliziert, das zu erklären - jedenfalls hatte seine Umhängetasche so viel Schwung, dass sie ihn mitriss und zum Salto zwang. Muss komisch ausgesehen haben. "Ich bin eben ein Showman", sagt Pearce und lacht.

Christiane Blumhoff schenkt Tee ein, zieht an ihrer Zigarette und erzählt weiter. Sie hat dann Charles Bioudun Pearce, der in Regensburg Politik studierte, geheiratet, bekam drei Kinder und lebte mit der Familie in Puchheim. "Wenn ich alleine unterwegs war, wurde ich gegrüßt", sagt Christiane Blumhoff, "aber wenn mein Mann und die Kinder auf der Straße waren, haben die Leute geschwiegen oder weggesehen". Sie wurden in Puchheim "die Negerfamilie" genannt.

Blumhoff spielte weiter ihre bayerischen Sachen, ihr Gesicht wurde bekannt, aber es fehlte in den Kultserien des Bayerischen Rundfunks. "In den Achtzigerjahren, als Zur Freiheit oder Die Hausmeisterin gedreht wurden, wurde ich beim BR nicht besetzt", sagt sie, "weil ich einen Farbigen geheiratet hatte." Man habe ihr das nicht gesagt. Eine Kollegin habe es gehört.

Simon Pearce glaubt, dass der Rassismus durch die Flüchtlingskrise heute wieder salonfähig geworden sei. "Vor meine Schwester hat sich mal einer hingestellt und den Hitlergruß gezeigt", erzählt Pearce. Und er selbst sei am Ostbahnhof "von besoffenen Faschos" sogar zusammen geschlagen und als "Drecksneger" beschimpft worden.

In einem seiner Programme sagt er: "Bei Hitlers brennt noch Licht." Das Ganze sei traurig, sagt Pearce. Aber Humor sei für ihn das beste Mittel, um auf Rassismus und Intoleranz aufmerksam zu machen - und etwas in den Köpfen zu verändern. Zuletzt spielte Pearce auf dem Nockherberg einen Flüchtling, der wie CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer spricht.

Simon Pearce hatte ursprünglich Lehramt Geschichte und Englisch studiert. 2004 starb dann der Vater, mit noch nicht einmal 60 Jahren, und der Sohn beschloss, Schauspieler zu werden, und Comedian. "Ich dachte mir, man muss das Leben so leben, wie man mag."

Er fing nicht bei null an - schon als Junge war er beim BR-Kinderfunk und beim Schulfernsehen, spielte später im Großstadtrevier mit und bei "Zwei Münchner in Hamburg" mit Uschi Glas und Elmar Wepper. Aber das war nebenbei. Jetzt stürzte er sich in das Abenteuer ohne Netz und doppelten Boden und eine sichere Ausbildung im Rücken. Er hat es nie bereut. "Ich denke eher, Mann, du Depp, warum hast du das nicht gleich gemacht."

Er machte eine Ausbildung an der Schauspielschule Zerboni und bekam bald Rollen im Chiemgauer Volkstheater. "Natürlich gab es da auf der Bühne immer Anspielungen auf meine Hautfarbe", sagt Pearce. Aber er fühlte sich "am Chiemgauer schon als Mensch und nicht als Klischee besetzt".

Sohn Simon Pearce war gerade erst im BR zu sehen, beim Nockherberg als Flüchtling. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Und er machte viel Quatsch, saß unter anderem bei einem Liederabend als der Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel vom Münchner im Himmel, als Alois Lüngerl im Hofbräuhaus und begegnete Menschen, die schon im Hofbräuhaus waren, zum Beispiel Lenin, Hitler oder Elvis.

Simon Pearce ist Fan des TSV 1860 München. Auch das noch. Manchmal macht er lustige Clips für die Löwen und bekommt dafür Eintrittskarten. Oder er moderiert die Weihnachtsfeier. Einmal, als 1860 wieder mal hinten drin stand, hat Pearce mit dem Münchner Kabarettisten Moses Wolff ein satirisches Video gedreht, Pearce war der schimpfende Trainer und Wolff, etwas gewichtiger als Pearce, ein Spieler der Löwen. Die Marketing-Abteilung von 1860 hat es abgelehnt - würde wohl nicht gut kommen im Abstiegskampf, dachten sie, vermutlich zu Recht. Pearce und Wolff haben es dann auf Facebook gestellt.

Christiane Blumhoff interessiert sich nicht für Fußball. Aber sie hat auch eine Geschichte zu erzählen, das passt gerade. "Ich habe mal Mehmet Scholl getroffen, wusste aber nicht, dass er Mehmet Scholl ist", erzählt sie. "Er hat auch nicht gesagt, er sei Scholl, er stellte sich mit Günter vor."

Christiane Blumhoff erzählt Geschichten beiläufig. Simon Pearce sucht eher die Pointe, er ist da hellhörig und reaktionsschnell. Das kommt ihm sicher zugute, wenn er auf der Bühne improvisieren oder auf Zwischenrufe reagieren muss.

Es gibt aber auch eine Sache, bei der er nicht schnell ist, etwa wenn er zu Hause sein Comedy-Programm schreiben muss. "Da prokrastiniere ich immer vor mich hin", sagt er. Das heißt, er schiebt Sachen auf. Lieber macht er dann andere Dinge in seiner Wohnung, etwa den Staubsauger auseinander- und wieder zusammen bauen. "Einmal habe ich sogar alle meine Bücher im Regal nach Autorennamen geordnet." Er macht alles auf den letzten Drücker, und seine Mutter sagt, Simon sei eben afrikanisch und ihr von den Kindern am ähnlichsten. Sie lacht. "Mein Mann war zwar Nigerianer, aber eher ein spießiger Deutscher - der hat am Samstag das Auto gewaschen und Bayern 1 gehört."

Aktuell spielt Pearce am Turmtheater in Regensburg im Stück "Ziemlich beste Freunde" - natürlich hat er die Rolle des lustigen, farbigen Angestellten Driss; er tritt mit seinem Kabarettprogramm "Allein unter Schwarzen" auf; plant eine Zusammenarbeit mit dem Komiker Harry G.; arbeitet an einem Buch, in dem sein Programm in Romanform beschrieben wird; und er hat auf Sky ein Projekt, bei dem man auch schmerzfrei sein muss, um das zu tun: Menschen, die eine Mitfahrgelegenheit nutzen und nichts davon wissen, dass sie gefilmt werden, sitzen in seinem Auto - und werden dafür belohnt, wie lange sie es dort aushalten. "Ich muss sie zum Aussteigen bringen - ich werde entweder ein Phobiker, ein Alkoholiker oder ein Narkoleptiker", sagt Pearce. Narkoleptiker schlafen oft unvermutet ein.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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