170 Jahre Roeckl:Der Handschuh-Clan

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Seit 170 Jahren dienen Produkte der Münchner Marke Roeckl als Luxusartikel oder zum Schutz vor Kälte - eine Geschichte über sechs Generationen.

Marie Schmidt

Wäre diese Geschichte ein Roman, könnte man sie sich als Familienepos vorstellen, über eine Dynastie, die aus wertvollen Materialien schöne Dinge herstellt: Handschuhe. Zumal man Zwist dahinter vermuten könnte, dass sich das dazu gehörige Unternehmen in der sechsten Generation aufgespalten hat, in zwei eigenständige Firmen: Annette Roeckl führt die Mode-Sparte "Handschuhe und Accessoires".

Sechs Generationen, drei Chefs, zwei Posier-Kulturen: Christian (links) und Stefan Roeckl sind die heutigen Geschäftsführer von Roeckl Sports. (Foto: Foto: Haas)

Ihr Bruder Stefan leitet mit seinem Cousin Christian die kleinere Firma "Roeckl Sports", die Handschuhe für Fahrrad-, Ski- und Reitsportler herstellt. Kürzlich ist "Roeckl Sports" sogar umgezogen, weg vom nach der Familie benannten Roecklplatz in die Beethovenstraße.

Zum Roman allerdings fehlen der Geschichte der Roeckls aus München die Konflikte, die dramatischen Wendungen. Die Teilung der Firma ist nicht das Ergebnis eines Streits: "Es hat einfach nahe gelegen", sagt Stefan Roeckl. "Die beiden Sparten haben kaum gemeinsame Strukturen. Wir arbeiten mit unterschiedlichen Materialien. Im Sportbereich verarbeiten wir fast kein Leder mehr. Wir haben verschiedene Produktionsstätten und unterschiedliche Vertriebswege."

Die beiden Betriebszweige gemeinsam zu führen, sich ständig abzusprechen, wäre zu kompliziert geworden. Deshalb haben Bruder und Schwester die Aufgaben nach ihren jeweiligen Interessen geteilt. Und der Umzug, ergänzt Cousin Christian Roeckl, habe die Strukturen vereinfacht: Beide Firmen seien größer geworden, in dem alten Gebäude an der Isartalstraße sei nicht mehr genug Platz für alle gewesen.

Nun feiern die Geschwister-Firmen die gemeinsame 170-jährige Geschichte. Der Gründer Jakob Roeckl, Säcklergeselle aus München, kann im 19. Jahrhundert nicht einfach so ein Geschäft aufmachen. Zuerst muss er die Erlaubnis der Obrigkeit einholen. Dazu braucht er eine "reale Gerechtsame", die Lizenz, seinen Beruf in München ausüben zu dürfen.

Er kauft sie am 18. Juni 1939 einem gewissen Mathias Forchheimer ab, dessen Geschäft nicht gut läuft. Dann bittet Jakob Roeckl den Magistrat der Stadt um seine Aufnahme als Bürger und Säcklermeister. Dazu muss er Papiere vorweisen, die ihm einen "gesicherten Nahrungsstand" bescheinigen. Er legt die Meisterprüfung ab, zahlt seine Bürgerrechtstaxe und hält um die Hand der Gold- und Silberarbeiters-Tochter Luise Henigst aus Zweibrücken an.

Am 24. September endlich bekommt er mit Brief und Siegel die "Gerechtigkeit-Verleihungs-Urkunde" des Magistrats: Die Firma Roeckl ist gegründet, und die Roeckls, seit 1743 urkundlich in München nachgewiesen, dürfen sich Bürger der Stadt nennen.

Sorge um Wohlergehen der Mitarbeiter

Keine zehn Jahre später schreibt Roeckl an die Regierung von Oberbayern: "Es ist in München offenkundig Thatsache, daß ich die Handschuhfabrikation in größtmöglicher Ausdehnung betreibe". Er bittet um die Konzession, eine Handschuhfabrik mit eigener Gerberei betreiben zu dürfen, was ihm bewilligt wird. Sein Sohn Christian, der die Geschäfte 1867 übernimmt, baut dann die Fabrik in der Isarvorstadt an dem Platz, der heute Roecklplatz heißt. Mittlerweile waren die Zunftschranken gefallen, was der Konkurrenz Tür und Tor öffnete. Roeckl schreckt das nicht, er beginnt zu exportieren, nach England und Amerika.

Während sich die Dimensionen des Unternehmens vergrößerten, habe Christian Roeckl stets Sorge um das Wohlergehen seiner Mitarbeiter getragen, berichtet der Firmen-Chronist. Er habe Versicherungen für seine Arbeiter gegen Krankheit, Invalidität und Alter in Angriff genommen, schon bevor diese in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts Gegenstand der Sozialgesetzgebung des Deutschen Reiches wurden.

Christian Roeckls Sohn Heinrich baut später den Export und das Filialnetz der Roeckl-Geschäfte in Deutschland weiter aus, bis die Weltkriege der Handschuh-Branche erheblichen Schaden zufügen. In seiner 1919 eingereichten Dissertation "Die Entwicklung und Lage der Bayrischen Lederhandschuhindustrie" beklagt Heinrich Franz Roeckl, vierter in der Generationen-Folge, dass es an Fachpersonal fehle und die Import-Export-Geschäfte mit Leder und Handschuhen eingebrochen seien.

Zumal vor allem in Amerika die Konkurrenz wachse. Bedenklicher noch sei, dass sich viele Deutsche in der Zwischenkriegszeit keine teuren Handschuhe mehr leisten können. "Hat der Handschuh erst einmal seine Stellung als ,Kulturfaktor', als zeitgemäßer, gesellschaftlich notwendiger Gebrauchs- und Luxusartikel verloren, so wird es lange währen, bis er wieder Allgemeingut geworden ist."

Nach dem zweiten Weltkrieg ist das Produktions- und Vertriebsnetz zerstört und Heinrich F. Roeckl muss den Betrieb neu aufbauen. 1966 übergibt er ihn seinem Sohn Stefan. Mit einem patentierten Handschuh-Schnitt legt der 1972 den Grundstein zur Sport-Sparte: Der passionierte Langläufer entwickelt einen Handschuh, der weniger Nähte an den Fingern und Handkanten hat und deshalb bequemer zu tragen ist.

Auch heute ist es das stete Bemühen um Innovationen bei den Materialien und Schnitten, die das Renommee von "Roeckl Sports" ausmachen. Auf einen traditionsreichen Namen könne man sich in der Sport-Branche nicht verlassen, erklären Christian und Stefan Roeckl junior. Es komme mehr auf die Funktionalität des Produktes an. "Zuviel Patina ist gar nicht gut", meint Stefan Roeckl, "deshalb kommunizieren wir die Tradition nicht besonders nach außen."

Unternehmensgröße so gut wie verdoppelt

Weil die Produktion von Lederhandschuhen in hoher Qualität kompliziert ist und die Erfahrung des Unternehmens darin hoch, verfüge die Firma seiner Schwester über eine Quasi-Alleinstellung, erzählt Roeckl. Sporthandschuhe stellten dagegen auch andere Sportartikel-Hersteller sozusagen nebenbei her. Dafür gebe es hier einen größeren Markt.

Seit Stefan Roeckl senior die Firmen 2003 der nächsten Generation übergab, hat "Roeckl Sports" seine Unternehmensgröße so gut wie verdoppelt. 12 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete man 2008. 20 Mitarbeiter gibt es im Münchner Büro. Dazu kommen Außendienstmitarbeiter und Personal ausländischer Partnerfirmen.

Produziert wird vor allem in Fernost, zum Beispiel in Sri Lanka, weil die Herstellung dort billiger ist. Er spüre Verantwortung auch für diese Mitarbeiter, sagt Stefan Roeckl. Er reise manchmal dorthin und überzeuge sich von den Arbeitsbedingungen.

Die größte Begeisterung aber ist den beiden Geschäftsführern anzumerken, wenn es um ihre Produkte geht, die funktionalen Sporthandschuhe. Die Geschäfte florieren - die beider Roeckl-Unternehmen. Und das solle auch so bleiben, sagt Christian Roeckl. "Damit die siebte Generation auch noch Freunde an der Firma hat."

© SZ vom 05.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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