Verteidigung:Pazifismus mit der Keule

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Regelmäßig bricht in Deutschland eine Prinzipiendebatte über das Militärische auf. Friedenspolitiker gegen Kriegstreiber, Pazifisten gegen Militaristen. Diese Polarisierung ist künstlich und spiegelt die sicherheitspolitische Realität nicht wider. Sie ist außerdem gefährlich für das Land.

Von Stefan Kornelius

Zu den Ritualen des deutschen Parlamentarismus gehört alle vier Jahre die Friedensmacht-Debatte. Ob nun aus Anlass eines neuen Krieges (Libyen, Syrien, Afghanistan) oder vor einer Rüstungsbeschaffung: Nichts funktioniert zuverlässiger als der Schnappreflex zur Sicherheitspolitik pünktlich vor einer Bundestagswahl.

Friedensmacht: Das ist für das traditionell eher links verortete Lager größte Skepsis gegenüber allem Militärischen sowie die Beschwörung der Friedfertigkeit dieses Landes und seines defensiven Charakters. Daran ist wenig auszusetzen, wenn nicht die Gegenseite in gleicher Radikalität einem Generalverdacht ausgesetzt würde: als kriegslüstern oder zumindest wenig friedfertig. Die Bundeswehr wird stigmatisiert und die Sicherheitspolitik mit ihrer Logik von Bündnissen und Abschreckung bis hin zur nuklearen Teilhabe prinzipiell in Frage gestellt. Keulenartig sausen die "Friedensmacht", die "Kriegstreiberei", der "Angriffskrieg" oder die "Killermaschinen" auf die Köpfe herab.

Die SPD im Zentrum dieser so groben wie unsachlichen Auseinandersetzung verfällt traditionell in Angststarre. Die Grünen, obwohl in Person ihrer außenpolitischen Experten in Sachen Realismus nicht mehr zu toppen, sind sich plötzlich auch nicht mehr so sicher. Ihr Vorsitzender Robert Habeck hat beim Thema Drohnenbewaffnung gehüstelt und exakt jene Grauzone erzeugt, die der geneigten Klientel die Wahl lässt, die Partei nun auf der guten oder der bösen Seite der militärischen Macht einzusortieren.

Niemand in der Bundeswehr plant einen Angriffskrieg

Frieden - in seiner Steigerung auch gerne als Weltfrieden gebraucht - wird zum argumentativen Generalschlüssel, der so ziemlich jede Tür auf dem Weg zu einer vernünftigen sicherheitspolitischen Auseinandersetzung verschließt. Dies ist grotesk, weil auch die Vertreter der Sicherheitspolitik nichts anderes als den Frieden im Sinn haben, wenn sie über die sicherheitspolitischen Werkzeuge des Landes entscheiden. Niemand in der Bundeswehr plant einen Angriffskrieg, niemand spekuliert auf den Einsatz taktischer Atomwaffen, keiner plant Drohnenflüge für gezielte Tötungen.

Wenn UN-Generalsekretär António Guterres von der "Friedensmacht" Deutschland spricht, dann meint er exakt jenen Mix aus Diplomatie, Entwicklungshilfe und militärischer Abschreckungsfähigkeit, der vielen Weltregionen den Frieden ein Stück näher bringen soll. Dass diese Gleichung ohne militärische Glaubwürdigkeit oft genug nicht funktioniert, gehört auch zur Wahrheit.

Natürlich gibt es für das deutsche Unbehagen am Militärischen viele, vor allem historische Gründe. Aber die Armseligkeit und Holzschnittartigkeit der deutschen sicherheitspolitischen Debatte löst gerade bei den Nachbarn und Verbündeten eine spiegelbildliche Reaktion aus: Was ist das für ein Land, das sich trotz seiner politischen und wirtschaftlichen Rolle in der Welt in Fragen des Militärs immer wieder ins "Wunschreich des Traums" flüchtet, wie es der Historiker und Sozialdemokrat Heinrich August Winkler nannte? Was für ein Bündnispartner ist dieses Land, dessen Soldaten offenbar nicht mal von den Parteien der Mitte ungeteilten Rückhalt erfahren?

Hier geht es nicht um ein theoretisches Problem, sondern um das politische Fundament des Staates, das nicht alle vier Jahre neu verhandelt werden darf - auch nicht in einer taktischen Spielerei mit den Wählern.

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