Profil:Chuck Schumer

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Der Demokrat aus New York krönt seine Karriere und wird Mehrheitsführer im US-Senat.

Von Claus Hulverscheidt

Wer beim alljährlichen Straßenfest auf Brooklyns Seventh Avenue eine kleine Menschentraube erspäht, deren Mittelpunkt nicht auf Anhieb zu erkennen ist, der kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, Chuck Schumer begegnet zu sein. Rein physiognomisch gesehen ist der schlanke, rüstige Herr mit der hohen Stirn und der beinahe obligatorischen Lesebrille auf der Nasenspitze nicht der größte. Wer aber glaubt, vom Körpermaß auf den Machtinstinkt schließen zu können, der irrt gewaltig: Seit beinahe fünf Jahrzehnten arbeitet der heute 70-jährige Senator des Bundesstaats New York zielstrebig daran, in den allerhöchsten Führungszirkel der US-Politik aufzusteigen.

Genau das ist ihm jetzt gelungen. Schumer übernimmt als Nachfolger des Republikaners Mitch McConnell das Amt des Mehrheitsführers im Senat und wird damit zugleich Teil einer mächtigen Vierergruppe aus demokratischen Parteifreunden, zu der außer ihm der künftige Präsident Joe Biden, dessen Stellvertreterin Kamala Harris sowie die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, zählen und die die Geschicke der Vereinigten Staaten für mindestens zwei Jahre bestimmen wird. Schumer kommt dabei die vielleicht schwierigste Aufgabe zu: Da Gesetze im Senat oft nicht nur einer einfachen, sondern einer 60-Prozent-Mehrheit bedürfen, wird er sich immer wieder um eine Zusammenarbeit auch mit gemäßigten Republikanern bemühen müssen.

Die "blaue Welle" blieb im November aus

Dennoch ist es der vorläufige Höhepunkt einer politischen Karriere, auf den Schumer lange gehofft hatte, mit dem er zuletzt aber wohl selbst nicht mehr rechnete. Anders nämlich als von vielen Demoskopen vorhergesagt, war bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Anfang November die sogenannte "blaue Welle", ein Erdrutschsieg der Demokraten also, ausgeblieben. Zwar gewann die Partei das Weiße Haus, sie verfehlte aber ihr Ziel, den Vorsprung im Repräsentantenhaus auszubauen und die 2014 verlorene Mehrheit im Senat zurückzuerobern.

Zu Hilfe kam Schumer nun ausgerechnet der Mann, mit dem er sich als Minderheitsführer im Senat vier Jahre lang gezofft hatte und der ihn stets als den "weinenden Chuck" verhöhnt, weil ihm bei einer Rede einmal die Tränen gekommen waren: Donald Trump. Dieser erkennt bekanntlich das Wahlergebnis nicht an und hat damit die republikanische Partei so tief gespalten, dass diese jetzt die Nachwahlen für die beiden Senatorenposten des Bundesstaats Georgia überraschend verlor. Damit sitzen sich im Senat künftig 50 republikanische sowie 50 demokratische oder Demokraten-nahe Mitglieder gegenüber. Ergibt sich bei einem Votum ein Patt, entscheidet die Stimme von Vizepräsidentin Harris. So kommen die Demokraten doch noch zur Mehrheit - und Schumer zum Amt des Mehrheitsführers.

Charles Ellis Schumer stammt aus und lebt bis heute in Brooklyn, sein Vater war Kammerjäger, die Mutter Hausfrau. Obwohl die Eltern manchmal nicht wussten, woher sie das Geld für die Rechnungen nehmen sollten, schaffte es ihr blitzgescheiter Sohn bis an die Eliteuniversität Harvard, die er 1974 als Doktor der Rechtswissenschaften verließ. Er arbeitete jedoch nie als Jurist, sondern ließ sich mit gerade einmal 23 Jahren ins Abgeordnetenhaus des Bundesstaats New York wählen. Seit 1998 ist er US-Senator.

Immer wieder drängt es den zweifachen Vater, den linke Parteifreunde gelegentlich als nicht progressiv genug kritisieren, in die Öffentlichkeit, er gilt als jemand, der Journalisten nicht etwa links liegen lässt, sondern noch auf sie zuläuft. Sein früherer republikanischer Kollege Bob Dole scherzte einst: "Der gefährlichste Platz in Washington ist der zwischen Charles Schumer und einer Fernsehkamera." Damit erinnert der neue Chefsenator an Trump, zu dem es aber einen zentralen Unterschied gibt: Anders als der scheidende Präsident hat Schumer persönlich noch nie eine Wahl verloren.

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