Sachsen-Anhalt:Die Anmaßung aus Magdeburg

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Zusammen mit der AfD will die CDU aus den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Art Staatsfunk machen. Nun muss Karlsruhe ran.

Von Detlef Esslinger

Als CDU, SPD und Grüne in Sachsen-Anhalt vor vier Jahren ihren Koalitionsvertrag schlossen, schrieben sie folgenden Satz dort hinein: "Bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks halten wir am Ziel der Beitragsstabilität fest." Wer ahnte, dass dies ein Satz mit Zeitzünder war?

Selbstverständlich wäre dieser leicht zu entschärfen, auch jetzt noch. Ein Koalitionsvertrag bindet die Partner politisch, nicht juristisch. Hinzu kommt, dass "Beitragsstabilität" ein interpretierbarer Begriff ist. "Stabil" wäre der Rundfunkbeitrag, wenn er bei 17,50 Euro im Monat bliebe - aber auch, wenn er auf 18,36 Euro stiege. Der bisherige Beitrag gilt seit 2015, das nun zwischen den 16 Landesregierungen verabredete Plus um 86 Cent gliche nicht einmal die Inflation seither aus; ganz abgesehen davon, dass der Beitrag vor fünf Jahren sogar gesenkt worden war. Und indem Beitragsstabilität in dem Vertrag als "Ziel" definiert wurde, erteilten die drei Parteien dem CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff einen Verhandlungsauftrag: Schauen Sie mal bei Ihren 15 Kollegen, was zu machen ist.

Hätten die Magdeburger Partner damals erklärt, sie würden keinen Rundfunkbeitrag oberhalb von 17,50 Euro akzeptieren, wäre der Zeitzünder nicht nur als solcher erkannt, sondern auch als Anmaßung gewertet worden. In Sachsen-Anhalt lebt ein Vierzigstel der Deutschen, und dieses Vierzigstel besteht kompromisslos auf seiner Position? Jede Erhöhung wird ja nur wirksam, sofern sämtliche 16 Landtage dem Staatsvertrag darüber zustimmen. Besonders dreist wird die Anmaßung, wenn man die Motive besieht, die die Politiker - es sind alles Männer - leiten, die den Ton angeben.

Haseloffs Manöver enthält ein peinliches Eingeständnis

Monatelang tat man in der CDU-Fraktion so, als ginge es um "Sparpotenziale" bei ARD und ZDF. Als ob irgendwer sich professionell mit Sendeminutekosten von "Tatort" oder Carmen Nebel befasst hätte. Worum es wohl wirklich ging, verriet Holger Stahlknecht in jenem Interview, das am Freitag zu seiner Entlassung als Innenminister und seinem Rücktritt als CDU-Landeschef führte. Auf die Frage, warum er die 86 Cent ablehne, antwortete er: ARD und ZDF "berichten gelegentlich nicht auf Augenhöhe, sondern mit dem erhobenen Zeigefinger". Was für eine Anmaßung, was für eine Dreistigkeit. Regierende Politiker wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dafür bestrafen, dass ihnen dessen Berichterstattung nicht passt. Im Erfolgsfall würde ihr Vorgehen die Entstehung genau jenes "Staatsfunks" begünstigen, den es bisher nur in der Diffamierungswelt der AfD gibt.

Gelingt ihnen das? Indem Ministerpräsident Haseloff den Rundfunkbeitrag nun nicht länger im Landtag zur Abstimmung stellen will, blockiert er dessen Erhöhung bundesweit. Sein Manöver verhindert zunächst, dass sich nächste Woche explizit eine Parlamentsmehrheit aus CDU und den Rundfunkhassern der AfD bilden kann. Indes enthält es auch das Eingeständnis: Implizit ist diese Mehrheit da.

Woraus folgt, dass nun das Bundesverfassungsgericht ihm die Auseinandersetzung mit den eigenen Leuten abnehmen muss. Angesichts dessen bisheriger Rechtsprechung ist kaum vorstellbar, dass es die Klagen der Anstalten abweisen wird. Die Frage dürfte nur sein, ob die Rettung rechtzeitig kommt - oder ob bis dahin etwa Radio Bremen pleite geht; nach elf Jahren ohne Inflationsausgleich.

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