Religion:Das Sternenzelt gehört uns allen

Lesezeit: 2 min

Papst Franziskus sendet bei seiner Reise in den geschundenen Irak ein wichtiges Signal der Geschwisterlichkeit zwischen Christen und Muslimen. Dabei hatte der Weg, der zu diesem historischen Besuch führte, vor 15 Jahren mit einem Eklat begonnen.

Von Annette Zoch

Es war heller Tag, der Himmel leuchtete blau - aber Franziskus sprach vom Sternenhimmel, der die Welt überspannt. So zahlreich wie die Sterne wolle er ihm Nachkommen schaffen, versprach Gott der biblischen Überlieferung nach Abraham. Jenem Mann aus der Ebene von Ur, auf den sich die drei Weltreligionen als Stammvater berufen. Und dort, in Ur auf dem Staatsgebiet des heutigen Irak, sprach Franziskus am Samstag ein interreligiöses Gebet. Nicht ohne Pathos, aber wo wäre Pathos angebracht, wenn nicht dort. "Vom Haus unseres Vaters Abrahams aus bekräftigen wir: Gott ist barmherzig, und die größte Beleidigung und Lästerung ist es, seinen Namen zu entweihen, indem man den Bruder oder die Schwester hasst."

Vor wenigen Jahren noch war der Irak von Krieg, Terrorismus, religiösem Wahn und Blutvergießen geprägt. Die Schreckensherrschaft des sogenannten Islamischen Staates über Teile des Landes liegt noch nicht lange zurück. Für die irakischen Christen, aber auch die Muslime im Land war der Besuch des Papstes eine Ermutigung und ein wichtiges Signal für den christlich-muslimischen Dialog. Zum ersten Mal traf Franziskus in Nadschaf Großajatollah Ali al-Sistani. Es gab zwar keine gemeinsame Erklärung. Aber dass al-Sistani, der sich so gut wie nie in der Öffentlichkeit zeigt, der Veröffentlichung von Bildern zustimmte, gilt als Zeichen dafür, welche Bedeutung er dem Besuch des Pontifex beimisst.

Für Franziskus selbst ist der interreligiöse Dialog ein wichtiges Thema seines Pontifikats. Zu den Sunniten, der größten muslimischen Glaubensströmung, pflegt er bereits seit Längerem eine enge Beziehung. Im Februar 2019 hatten Franziskus und Ahmad al-Tayyib, der Großimam der Al-Azhar-Moschee in Kairo, in Abu Dhabi eine viel beachtete gemeinsame Erklärung über die Geschwisterlichkeit aller Menschen unterzeichnet. Franziskus und al-Tayyib bezeichnen einander als Freunde, und in seiner letzten Enzyklika "Fratelli Tutti" bezog sich Franziskus fünf Mal auf den muslimischen Geistlichen - das gab es bislang noch nie.

Vor 15 Jahren sah das noch ganz anders aus. Damals, im September 2006, war Papst Benedikt XVI. zu Besuch in Bayern. Benedikt schien damals unterschätzt zu haben, welch politisches Gewicht ein jedes Wort eines Papstes hat. Und so schlüpfte er in der Universität Regensburg kurz wieder in die Rolle des Theologieprofessors Joseph Ratzinger und zitierte einen Dialog zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos und einem gelehrten Perser, wonach Mohammed "nur Inhumanes und Schlechtes" gebracht habe. Mühevoll musste der Vatikan anschließend klarstellen, dass Benedikt nur zitiert hatte, dies aber nicht die Meinung des Papstes sei - doch da waren die Proteste in der muslimischen Welt schon laut und zum Teil gewalttätig entbrannt.

Im Jahr darauf verfassten 138 islamische Gelehrte den Brief "Ein gemeinsames Wort zwischen uns und Euch" und forderten darin den Dialog. Benedikt nahm das Angebot an und daraus entstand das Katholisch-Muslimische Forum, das sich im November 2008 zum ersten Mal im Vatikan traf und seither schon vier Mal getagt hat. Es bereitete den Weg für Franziskus' Reise an den arabischen Golf 2019 und nun für die Reise in den Irak.

Das Miteinander der Religionen entscheidet an vielen Orten immer noch über Krieg und Frieden. Franziskus weiß das, und deshalb trägt er die Botschaft der Geschwisterlichkeit aller Menschen in die Welt. Seht gemeinsam in das Sternenzelt, fordert Franziskus. Es gehört uns allen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: