Profil:Yoshiro Mori

Lesezeit: 2 min

(Foto: Takashi Aoyama/ Getty Images/dpa)

Olympia-Organisator mit fragwürdigen Ansichten.

Von Thomas Hahn

Sieben Tage ist es jetzt her, dass Yoshiro Mori, 83, bei einem Online-Meeting des Japanischen Olympischen Komitees über Frauen gesprochen hat. Und immer noch hat der Präsident des Organisationskomitees für die Sommerspiele in Tokio (Tocog) die Empörung nicht unter Kontrolle. Vorstandssitzungen mit mehr Frauen "ziehen sich in die Länge", weil Frauen so viel redeten - das war Moris Gedanke, an dem er als Altvorderer der rechtskonservativen Regierungspartei LDP zunächst bestimmt nichts falsch fand. Aber jetzt? Protest im In- und Ausland. Eine Online-Petition gegen Mori hatte bis Dienstagabend mehr als 143 000 Unterschriften. Soziologen sprechen von einem Symptom der japanischen Machogesellschaft. Und Tocog hat für Ende der Woche eine Sondersitzung des Vorstands einberufen. Thema: Was tun in der Mori-Krise?

Die Olympischen und Paralympischen Spiele sollten mal eine Bühne des coolen Japan sein, mit vielen Gästen aus der ganzen Welt, die viel Geld im Inselstaat lassen. Dann kam: die Pandemie. Die Verschiebung vom Sommer 2020 um ein Jahr. Die Diskussion, ob es Sinn ergibt, im zweiten Corona-Jahr das größte Sportfest der Welt zu veranstalten. Und nun sorgt auch noch Chef-Organisator Mori dafür, dass das verknöcherte, rückwärtsgewandte Japan zum Vorschein kommt.

Premierminister war er auch schon

Man hätte es ahnen können, dass Yoshiro Mori nicht der ideale Spiele-Frontmann ist. Gleichstellung ist quasi der Kern der olympischen und paralympischen Agenda. Mori aber steht für ein Politik-Establishment, das traditionelle Hierarchien pflegt. Er stammt aus einer reichen Bauernfamilie in Ishikawa. Er arbeitete einst für die nationalistische Zeitung Sankei. Ehe er im Männerklüngel der LDP Karriere machte: vom Parlamentarier zum Spitzenstaatsdiener zum Häuptling der ergrauten Elite.

Er war Minister, Parteigeneralsekretär und im April 2000 nach dem Schlaganfall des Premierministers Keizo Obuchi auf einmal Regierungschef. Sein Benehmen? Oft empörend. Etwa im Februar 2001 nach dem Zusammenstoß eines US-U-Boots mit einem japanischen Fischkutter. Neun Menschen starben. Mori hörte davon und spielte seine Golfrunde zu Ende. Seine Umfragewerte rutschten auf sieben Prozent Zustimmung ab. Im April 2001 trat er zurück. Aber er blieb im politischen Geschäft, vor allem als Russlandversteher und Freund Wladimir Putins.

Als ihm die Fragen zu streng wurden, blaffte er

Den Posten als Tocog-Chef bekam er von der LDP-Regierung, nachdem er sich als Präsident des Rugby-Verbandes bewährt hatte. Seit 2014 ist Mori Tokios nassforscher Olympia-Macher. 2015 musste er sich wegen Lungenkrebs operieren lassen. Er machte weiter. Und vor der Pandemie kapituliert er auch nicht. "Egal, wie die Coronavirus-Situation sein wird", sagt er, "wir werden die Spiele abhalten."

Aber ein moderner Mann ist er nicht. Sein sexistischer Einwand zeigt, wie die greisen Granden des Politikbetriebs die moralische Erneuerung Japans bremsen. Die Kritik daran ist friedlich und hart: Freiwillige aus dem Hilfsstab der Spiele haben sich abgemeldet. In einer Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo halten 60 Prozent der Befragten Mori als Tocog-Präsident für unfähig. Mori hat das Kunststück fertiggebracht, die ohnehin schon schlechte Olympia-Stimmung in Tokio noch weiter sinken zu lassen.

Offiziell hat er sich einsichtig gezeigt. Aber bei seiner Entschuldigungspressekonferenz reagierte er sauer, als ihm die Fragen zu streng wurden. "Wenn Sie alle sagen, dass ich im Weg bin, dann stimmt das vielleicht, dass dieser Problem-Alte nur noch wie ein großes Stück Müll ist", blaffte er. Seinen Posten hat er wohl sicher. Alle, von Premierminister Yoshihide Suga über Tocog bis zum Internationalen Olympischen Komitee, haben sich von seinen frauenfeindlichen Sätzen distanziert. Aber keiner von ihnen sagt: Yoshiro Mori soll gehen. Einen wie ihn setzt man in Japan nicht so einfach ab, egal, wie viel Blödsinn er redet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: