Profil:Sadyr Schaparow

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(Foto: Vladimir Voronin/AP/dpa)

Vom Knast fast direkt ins Präsidentenamt.

Von Frank Nienhuysen

Die Nacht war noch nicht vorüber, als auf einem Grundstück im zentralasiatischen Kirgistan ein weißes Auto anhielt und ein dunkel gekleideter Mann ausstieg. Er war Stunden zuvor aus dem Gefängnis befreit worden. Sadyr Schaparow wurde vor dem Haus erwartet. Er blieb stehen, beugte sein Haupt, über dem nun eine ältere Frau mit Kopftuch dreimal eine kleine weiße Schale kreisen ließ. Dann spuckte Schaparow in die Schale, die Frau schüttete den Inhalt aus und jemand setzte ihm einen weiß-schwarzen Hut auf. Es gab Umarmungen, Küsschen, Schaparow war zurück. Und frei. Auf Youtube ist diese Sequenz von seiner Heimkehr zu sehen, aufgenommen am 6. Oktober. Nur drei Monate später ist er ins höchste Staatsamt gewählt worden. Sadyr Schaparow, 52, ist seit Sonntag Präsident von Kirgistan.

Die erstaunliche Wendung im Leben Schaparows könnte auch eine Zäsur in der Geschichte seines Landes werden. Erst vor zehn Jahren hatte sich das gebirgige Kirgistan nach dem Sturz des Präsidenten zu einem Experiment entschieden. Das gab es noch nie: Umgeben von zentralasiatischen Despoten schuf das Land eine parlamentarische Demokratie. Schaparow beendet diese Phase nun. Denn am Tag seiner Wahl stimmte die Bevölkerung auch für die Rückkehr zum System mit einem mächtigen Präsidenten - Schaparow sieht keinen Grund für Bescheidenheit.

Er gewann die Präsidentenwahl mit 79 Prozent der Stimmen, aber dass er überhaupt antreten durfte, hat er einem Aufruhr im Herbst zu verdanken. Nach der offenbar manipulierten Parlamentswahl Anfang Oktober brach Chaos aus, es gab Plünderungen, Regierungsgegner stürmten das Parlament und den Sitz des Präsidenten. Schaparow wurde aus dem Gefängnis befreit, "Sadyr, Sadyr", skandierte die entzückte Menge, denn Schaparow gilt schon lange als scharfzüngiger Volkstribun, der nun zupackte und die politischen Wirren nutzte. Die Parlamentswahl wurde annulliert, der umstrittene Staatschef Dscheenbekow aus dem Amt gedrängt. Und Schaparow drängte hinein.

Zu zehn Jahren Haft verurteilt wegen der Anstiftung zu Unruhen

Er will nun die weit verbreitete Korruption beenden, und dazu sei nun mal ein starker Präsident notwendig, sagte Schaparow, der allerdings selber mit zwielichtigen Menschen in Verbindung gebracht wird. Kritiker befürchten, dass mit ihm nun jener Autoritarismus zurückkehrt, der immer wieder das Land geprägt hat. Mehrmals sind kirgisische Präsidenten gestürzt worden oder ins Exil geflüchtet. Die Spanne zwischen Macht und Knast kann kurz sein.

Der neue Präsident stammt aus einem Dorf im wohlhabenderen Norden. Nach dem Studium arbeitete Schaparow in einer sowjetischen Kolchose, wurde Chef in einem Landwirtschaftsbetrieb. Dann steigerte er seinen Einfluss. Schaparow leitete diverse Ölbetriebe, wurde Abgeordneter und Berater des Präsidenten. Seinen Ruf als nationalistischer Einpeitscher erhielt er, als er sich 2012 dafür stark machte, die größte Goldmine zu verstaatlichen. Ein Jahr später gab es wieder Unruhen wegen der Mine, Schaparow wurde beschuldigt, zur Geiselnahme eines Gouverneurs angestachelt zu haben, setzte sich jedoch ins Ausland ab.

Als Schaparow 2017 nach Kirgistan zurückkehrte, wurde er geradewegs am Flughafen festgenommen und wegen der Unruhen und der Geiselnahme zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Tragisch für ihn war, dass während seiner Haft beide Elternteile starben, und auch noch sein Sohn bei einem Verkehrsunfall. Schaparow versuchte, sich die Venen aufzuschneiden, überlebte aber.

Nun ist er Präsident und muss erklären, wie er als glühender Nationalist das enge Verhältnis mit Russland halten will, das in Kirgistan eine Militärbasis hat und lebenswichtig ist als Arbeitsmarkt für einen Großteil der kirgisischen Wanderarbeiter. "Russland ist unser strategischer Partner", versicherte Schaparow nach seiner Wahl. Aus Moskauer Sicht war das schon mal ein guter Anfang.

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