Profil:Kylie Moore-Gilbert

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(Foto: AFP)

Islamwissenschaftlerin, die zum Faustpfand der iranischen Regierung wurde.

Von Paul-Anton Krüger

Der Weg zurück in die Freiheit führte für Kylie Moore-Gilbert durch das Regierungsterminal am Flughafen Mehrabad in der iranischen Hauptstadt Teheran. Nach mehr als 800 Tagen Haft wurde die australisch-britische Islamwissenschaftlerin gegen drei im Ausland inhaftierte Iraner ausgetauscht. Die 33 Jahre alte Akademikerin war im September 2018 nach einer einwöchigen wissenschaftlichen Konferenz in der heiligen Stadt Ghom, zu der sie von der iranischen Regierung als Referentin eingeladen worden war, vom Geheimdienst der Revolutionsgarden verhaftet worden.

Sie wurde seither im berüchtigten Evin-Gefängnis im Norden Teherans und der nicht weniger übel beleumundeten Frauenhaftanstalt Qarchak in der Wüste südöstlich der Hauptstadt festgehalten. Ein Revolutionsgericht hatte sie in einem Geheimprozess wegen Spionage für Israel zu zehn Jahren Haft verurteilt - Beweise legte das Regime in Teheran nie vor. Moore-Gilbert hat die Anschuldigungen beharrlich bestritten, was glaubwürdig ist. Mit Hungerstreiks protestierte sie gegen monatelange Isolationshaft.

Teheran hat drei verurteilte Terroristen freigepresst

Während sie in einen grauen Hijab gehüllt am Flughafen wartete, wurden die drei Iraner mit Flaggen auf den Schultern in den Raum geführt, vom Staatsfernsehen dokumentiert. Einem, im Rollstuhl hereingeschoben, fehlen beide Beine. Es handelt sich nicht um Männer, die wegen der Umgehung von Sanktionen in Haft waren, wie Staatsmedien glauben machen wollen. Vielmehr hat Teheran drei in Thailand verurteilte Terroristen freigepresst.

Sie hatten 2012 in Bangkok Anschläge auf israelische Diplomaten vorbereitet, waren aber aufgeflogen. Die Iraner gerieten in ihrer Bombenwerkstatt in Panik, es kam zu einer Detonation. Saeid Moradi, der Mann im Rollstuhl, warf auf der Flucht vor der Polizei eine Handgranate; die Explosion trennte seine Beine ab. Auch Mohammad Khazaei und Masoud Sedaghat Zadeh, die beiden anderen, gehörten der Terrorzelle an, die von einem hochrangigen Offizier des Geheimdiensts der Revolutionsgarden befehligt wurde.

Die australische Regierung, deren Geheimdienstchef Nick Warner zusammen mit Diplomaten des Landes mehr als ein Jahr lang den Deal vorbereitet hatte, wollte einen Gefangenenaustausch nicht bestätigen; in Australien sei niemand freigekommen. Dennoch muss der Fall eine Warnung sein - gerade auch in Europa.

Das Auswärtige Amt warnt Doppelstaatler vor Reisen nach Iran

In Antwerpen beginnt an diesem Freitag der Terror-Prozess gegen einen einst in Österreich als Diplomat akkreditierten iranischen Geheimdienst-Mann, der einen Anschlag auf ein Treffen der dem Regime feindlich gegenüberstehenden Volksmudschahedin in Paris geplant haben soll. Er war in Deutschland festgenommen worden - prompt gerieten auch Deutsche in Iran ins Visier. Deutsch-iranische Doppelstaatler warnt das Auswärtige Amt vor nicht notwendigen Reisen in die Islamische Republik - die Botschaft kann sie nicht einmal konsularisch betreuen. Es sei bereits "mehrfach und oft ohne nachvollziehbare Gründe, zuletzt im Oktober 2020" zu Verhaftungen gekommen. Iran versuche, "Verhandlungsmasse aufzubauen", lautet die Einschätzung von Geheimdienstlern.

Die Folgen für die Betroffenen sind dramatisch. Von "ernsten psychischen Problemen" und ihrem sich verschlechternden Gesundheitszustand hatte Kylie Moore-Gilbert in Briefen aus der Haft berichtet - und von Versuchen der Revolutionsgarden, sie anzuwerben. Nach ihrem Abschluss in Cambridge 2013 und ihrer Promotion an der Universität Melbourne 2017 forschte sie über die schiitische Protestbewegung in Bahrain und deren Beziehungen zu Iran. Für Iran und seine "warmherzigen, großzügigen und mutigen Menschen" empfinde sie nichts als "Respekt, Liebe und Bewunderung", ließ sie mitteilen. Bis sie die Freiheit in ihrer Heimat voll genießen kann, muss sie wegen der Corona-Pandemie allerdings zunächst für 14 Tage in Quarantäne.

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